HistorieReitrecht

Argumente für die Umkehrung des Landes Wald Gesetz

Bisher gilt nach  §20 Abs. 3 LWaldG :

„Reiten ist nur auf ausgewiesenen Wegen erlaubt“.

Die Umkehrung dieser gesetzlichen Regelung hin zur allgemeinen Gestattung des Reitens auf Waldwegen ist aus folgenden Gründen notwendig:

Verwaltungsaufwand

Die Situation für das Reiten und Fahren im Brandenburgischen Wald ist äußerst unbefriedigend. Die mit Waldgesetz, Reitverordnungen und Leitfaden angestrebte Ausweisung eines einheitlich gekennzeichneten und touristisch geeignetem Wegenetzes für Reiter und Kutschen ist trotz erheblichen personellen und finanziellen Aufwands in über 10 Jahren gescheitert.

Der Grund hierfür liegt nur in Ausnahmefällen in mangelndem Engagement der zuständigen Unteren Forstbehörde (ÄfF). Er liegt in dem hohen Verwaltungsaufwand, der für jeden einzelnen Kilometer Reitweg betrieben werden muss.

Dieser Aufwand wird durch die geringe Zahl der Reiter und Pferde in Brandenburg nicht gerechtfertigt (vgl. andere Bundesländer !). Hier werden öffentliche Mittel für ein immer lückenhaftes Reitwegenetz verschwendet, das am Bedarf vorbeigeht.

Verhältnismäßigkeit

Der jetzige  §20 Abs. 3 LWaldG regelt die Benutzung von Waldwegen zu Pferd restriktiv für das ganze Land. Für 85% der Fläche Brandenburgs (ländlicher Raum) besteht jedoch kein Regelungsbedarf ! Nur in den 15% „Speckgürtel“ um Berlin ist eine Trennung der Erholungssuchenden auf separate Wegenetze (Radwege, Reitwege, Wanderwege) sinnvoll.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte ein Gesetz nur dort regeln, wo tatsächlich Regelungsbedarf besteht, sonst herrscht Bürokratismus. Brandenburgs ÄfF haben andere Dinge zu tun, als sich um ein Reitwegenetz zu kümmern, was (zumindest im ländlichen Raum) niemand haben will.

„Konflikte“

Brandenburg hat auf seinen knapp 30.000 Quadratkilometern ca. 30.000 Pferde, also durchschnittlich ein Pferd pro Quadratkilometer. Von einer allgemeinen Gefahr für Waldbesucher durch Reiter kann in Brandenburg wirklich nicht ausgegangen werden.

Selbst bei einem Pferdesportboom und damit einer evtl. Verdopplung der Anzahl der Reiter und Pferde besteht immer noch keine Veranlassung, im ländlichen Brandenburg die Erholungssuchenden voneinander zu trennen (siehe auch die guten Erfahrungen mit einer Mehrfachnutzung der Wege in anderen Bundesländern, z.B., Hessen und die Empfehlungen in der AEP Überregionales Reit- und Fahrwegenetz Land Brandenburg von BTE (mit öffentlichen Mitteln erstellt !)).

Das Reiten „zum Schutz der Waldbesucher“ auf speziell gekennzeichnete Reitwege zu beschränken, ist im ländlichen Raum Unsinn. Die Waldwege sind allgemein nicht so stark durch Spaziergänger, Radfahrer, Reiter usw. frequentiert, dass man nicht friedlich miteinander leben könnte. Im Gegenteil: die meisten Waldbesucher erfreuen sich an der Begegnung mit Pferden in der freien Natur. Auf dem Fehlverhalten einzelner „Schwarzer Schafe“ — nicht nur unter Reitern — sollte kein Gesetz aufgebaut sein. Die Reitsportverbände wirken intensiv auf eine Schulung guter Umgangsformen in der Reitausbildung hin ( Prüfungsbestandteil bei Reiterpässen usw. !)

Durch die Ausweisung eines guten Reitwegenetzes (nur !) im stark frequentierten Speckgürtel werden mögliche Konfliktherde unter Radfahrern, Reitern und Spaziergängern entschärft und das friedliche Miteinander im Wald gefördert.

Auch der vermeintliche Konflikt Reiten-Jagen entpuppt sich bei näherer Betrachtung als hochgespielt. Die Behauptung, dass Jäger ihren Abschussplan nicht erfüllen können, da sie durch Reiter gestört werden, entspricht nur in absoluten Einzelfällen der Wahrheit. Nachgewiesenermassen stören Pferde als Pflanzenfresser das Wild erheblich weniger als der Mensch. Bis vor kurzer Zeit wurde auch in Deutschland zu Pferde oder sogar mit Gespannen gejagt. Zweifellos ist auch die Jagd für Brandenburg ein Wirtschaftsfaktor — es ist aber nicht nachzuvollziehen, aus „Jagdschutzgründen“ das Reiten zu verhindern.

Tourismus:

Brandenburg nennt sich vollmundig „Reiterland“, will den Wirtschaftsfaktor Pferd entwickeln und nutzen. Die Entwicklung des Reittourismus kommt in der Praxis nur schleppend voran, da die eingeschränkten Reitmöglichkeiten und die im Wald drohenden Bußgelder viele auswärtige Gäste bereits verärgert haben und diese in andere Bundesländer oder sogar nach Polen ausgewichen sind. Auch Gastronomie, Einzelhandel und Handwerk werden durch den Reittourismus gestärkt. Besonders die strukturschwachen Gebiete im ländlichen Brandenburg können durch eine Entwicklung des Reittourismus profitieren, wie es z.B. auch in der Eifel seit Jahren mit Erfolg funktioniert.

Brandenburgs miserables Image als „Reiterland“ kann nur durch eine grundlegende Änderung der Gesetzeslage verbessert werden. Bereits heute will jeder vierte Gast seinen Urlaub in Brandenburg in Verbindung mit Pferden verbringen (nach Landurlaub in Brandenburg e.V.) !

Arbeitsplätze

Über 600 Betriebe halten in Brandenburg Pferde im Haupt- oder Nebenerwerb und sind mangels Alternativen dringend auf die erzielbaren Einkommen auf diesem Gebiet angewiesen. Hier besteht ein großes Potential für Tourismusangebote mit dem Pferd, was ergänzend zu wettkampforientierten Angeboten einen erheblichen Wirtschaftsfaktor bedeutet.

Drei bis vier Pferde sichern einen Arbeitsplatz. Bei ca. 30.000 Pferden bedeutet dies schon heute ca. 10.000 Arbeitsplätze (Futtermittel, Ausrüstungsgegenstände, Reitanlagen und Stallbau, Fachhandel, Versicherungen, Tierärzte, Schmiede usw.). Wenn man bedenkt, dass sich die Anzahl der Pferde zwischen 1990 und 2002 in Brandenburg nahezu verdoppelt hat, wird das Potential deutlich, welches hier noch schlummert. Durch eine Belebung des Reittourismus könnten enorme wirtschaftliche Kräfte freigesetzt werden.

Soziale Aspekte, Frauen & Jugend

Reiten und Gespannfahren sind jahrhundertealte Tradition in Brandenburg. Die Hälfte aller Mitglieder in den Reit- und Fahrverbänden des Landes ist unter 26 Jahre alt, von einer „elitären“ Sportart kann keine Rede sein. Reiten ist längst zum Volkssport geworden, der von allen gesellschaftlichen Schichten ausgeübt wird. Die Reitvereine übernehmen eine wichtige Rolle in der Sport- und Jugendförderung.

Insbesondere Mädchen und Frauen finden in der Beschäftigung mit dem Pferd in der Natur ein ausfüllendes Hobby, dem vor allem auf dem Land kaum Alternativen gegenüberstehen.

Naturschutz:

Aus Naturschutzsicht ist das Reiten auf Wegen in Wald, Feld und Flur unkritisch und als ruhige, naturverbundene Erholungsform wünschens- und förderungswert. Um dies im Internationalen Jahr des Ökotourismus 2002 deutlich zu machen, entwickelt die Landesanstalt für Großschutzgebiete (LAGS) in vier sensiblen Naturgebieten vorbildliche Modellprojekte zum Wanderreiten und Pferdetourismus. Auch für die Regionalentwicklung in Schutzgebieten leistet das Reiten und Gespannfahren einen wichtigen Beitrag.

Verkehrssicherungspflicht:

Da das Reiten bei einer generellen Gestattung auf den Wegen im Wald auf eigene Gefahr erfolgt, besteht keine besondere Verkehrssicherungspflicht für den Waldbesitzer. Seine Haftung beschränkt sich auf atypische Gefahren, die aber nicht nur Reiter, sondern auch alle anderen Waldnutzer betreffen, wie z. B. defekte Brücken.

Vorschläge für die Neuregelung des LWaldG:

Für ca. 85% der Landesfläche besteht kein Regelungsbedarf. Hier ist das Reiten auf allen Waldwegen zu gestatten, die nicht ausdrücklich gesperrt sind.

Der Speckgürtel um Berlin stellt die Ausnahme im Land dar, für den im Gesetz auch der „Ausnahmefall“ geregelt sein soll: Reitwegenetz.

Die Interessen der Waldbesitzer, der Jäger und anderer Erholungssuchender sind zu berücksichtigen. Dem Fußgänger gebührt der Vorrang.

Waldwege können für das Reiten gesperrt werden, wenn hierdurch erhebliche Gefahren für die natürliche Umwelt drohen, unzumutbare Beeinträchtigungen anderer Erholungssuchender entstehen, in Ballungsgebieten sowie bei drohenden, unzumutbaren Schäden für den Grundstückseigentümer.

Reitgebiete:

Die Ausweisung von Reitgebieten birgt die selben Probleme wie die Ausweisung von Reitwegen: Verhandlungen, Abstimmungen, Ausnahmen, Abgrenzungen, Sperrungen usw. bedeuten unnötigen Verwaltungsaufwand und behindern eine Entwicklung des Reitens und Fahrens. Völlig unklar ist, anhand welcher Kriterien die Grenzen der Reitgebiete festgelegt werden sollen. In NRW hat sich genau aus diesen Gründen das System der Freistellungsgebiete (hier Reitgebiete) nicht bewährt.

Umkehrung der gesetzlichen Situation:

Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Dieses Prinzip der deutschen Rechtsprechung sollte auch hier gelten. Bei einer Übergangszeit von z.B. sechs Monaten können die AFF, UNB, Gemeinden, Waldbesitzer, LAGS, usw. ihre Befindlichkeiten zu den Wegen, die ausdrücklich nicht beritten werden sollen, darlegen. Die anschließende Abwägung (z.B. durch die AFF) der berechtigten Einwände führt zu Reitverbotsschildern an den betroffenen Wegen, alle anderen wären frei.

Während dieser Übergangszeit könnten die bisherigen Reitwege weiter gelten, damit nicht plötzlich doch überall (auch auf zu sperrenden Wegen) geritten wird. Im Speckgürtel kann die Übergangszeit dazu genutzt werden, das bestehende Reitwegenetz dichter zu knüpfen, touristische Orte einzubinden und vor allem auch Kutschwege zu schaffen. Hier sollte das Wegenetz allerdings nicht mit Ende der Übergangszeit statisch festgelegt sein, sondern es muss weiterhin sich ändernden Bedürfnissen (z. B. bei Neuansiedlung eines Pferdehofes) angepasst werden.

Das Argument, man könne die großzügige Ausweisung von Reitgebieten per Verordnung „anordnen“ kann nicht akzeptiert werden, da Verordnungen vorbei am Parlament erlassen werden

und so diese Verordnung abhängig von der persönlichen Einstellung des jeweiligen Ministers ist. Durch eindeutige Formulierungen im Gesetz können klare Verhältnisse mit langfristigem Bestand geschaffen werden, die allen Beteiligten langfristige Planungssicherheit bieten.

Reitabgabe:

Wenn eine Reitabgabe der Preis dafür ist, dass Reiten und Gespannfahren auf allen Wirtschaftswegen erlaubt wird, wären die Pferdeverbände ggf. bereit, sie in angemessener Höhe zu akzeptieren.

Allerdings haben andere Bundesländer die Reitabgabe wieder abgeschafft, da der mit der Einführung und Umsetzung einer Reitabgabe verbundene Verwaltungsaufwand den Nutzen (Einnahmen) für das Land bei weitem übersteigt.

Darüber hinaus sind VFD und FN aus den Erfahrungen der Praxis überzeugt davon, dass Wegeschäden wenn überhaupt nur in so geringem Umfang auftreten, dass eine flächendeckende Abgabe zu deren Beseitigung völlig überzogen ist.

So hat selbst Sachsen vor einigen Jahren die jährliche Reitabgabe von ursprünglich 100 DM auf 50 DM reduziert, da die Reitabgabe als zweckgebunde Gebühr nur für die Beseitigung von Wegeschäden ausgegeben werden darf, aber nur äusserst selten Bedarf daran bestand.

Kurzübersicht
über gesetzliche Regelungen in waldreichen Bundesländern (mehr als 30% der Landesfläche)

Bayern:

„Jedermann darf auf Privatwegen in der freien Natur wandern, soweit sich die Wege dafür eignen, reiten und mit Fahrzeugen ohne Motorkraft sowie Krankenfahrstühlen fahren“.
(BayNatG 1998, Art.23 (WaldG verweist auf NatG)
Baden-Württemberg:
„Das Fahren mit Krankenfahrstühlen ist gestattet. Das Rad fahren und Reiten im Wald ist nur* auf Straßen und Wegen gestattet.“
[LWaldG 1995,  § 37 (3)]
Hessen:
„Rad fahren, Fahren mit Kutschen und Krankenfahrstühlen und Reiten ist nur* auf Straßen und Wegen gestattet“ [ForstG 1954/1978  § 25 (4)]
Rheinland-Pfalz:
„Radfahren und reiten sind im Wald nur* auf Straßen und Wegen erlaubt; darüber hinausgehende Reit- und Befahrensmöglichkeiten können die Waldbesitzenden gestatten, soweit dadurch nicht die Wirkungen des Waldes oder sonstige Rechtsgüter beeinträchtigt werden.“ [LWaldG 2000, § 22 (3)]
Sachsen-Anhalt:
„In Feld und Wald ist das Reiten auf Privatwegen und deren Rändern erlaubt, soweit sie nach Breite und Oberflächenbeschaffenheit dafür geeignet sind, ohne dass Störungen Anderer oder nachhaltige Schäden zu befürchten sind.“ [FFOG 1997,  § 5 (1)]
*: nicht abseits der Wege, aber eben auf ALLEN Wegen, es sei denn, sie sind ausdrücklich für das Reiten gesperrt.

Übrigens: In keinem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland steht jedem Einwohner so viel Wald zur Verfügung wie in Brandenburg, nämlich 3.700m² (Durchschnitt BRD: 1.300m²)“ — Zitat aus dem „Brandenburgischen Waldknigge“, herausgegeben vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg (MELF), 1995.