HistorieReitrecht

Stellungnahme des VFD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg

zum Brandenburger Waldprogramm sowie zum Gesetzentwurf Landeswaldgesetz

7. August 2002

Sehr geehrte Frau Knape,

im Rahmen der Anhörung zum Brandenburger Waldprogramm wurden vom VFD-Landesverband sowie von vielen Einzelmitgliedern Diskussionsbeiträge geleistet und Forderungen gestellt.

Nach Kenntnisnahme der Stellungnahmen und Argumente anderer Träger öffentlicher Belange zum Brandenburger Waldprogramm möchte die VFD mit diesem Schreiben ihre Position zusammenfassend klarstellen und begründen. Die Weiterführung der Arbeitsgruppe „Reiten im Land Brandenburg“ halten wir für unverzichtbar.

Die VFD vertritt weiterhin die Auffassung, dass durch Umsetzung der folgenden 4 Punkte, die Interessen der Reiter und Gespannfahrer mit den Belangen anderer öffentlicher Träger und anderer Erholungssuchender angemessen vereinbar sind:

  1. Gestattung des Reitens und Fahrens auf allen befahrbaren Waldwegen. Zusätzliche Ausweisung von Reitwegen als Möglichkeit zur Kanalisierung der Reiter z.B. im Nahbereich von Reiterhöfen bleibt unbenommen.
  2. Sperrung einzelner Wege oder Bereiche für das Reiten / Gespannfahren, wenn dies aus Naturschutzgründen oder anderen übergeordneten Interessen tatsächlich notwendig ist.
  3. Beschränkung des Reitens und Fahrens innerhalb des engeren Verflechtungsraumes von Berlin und Brandenburg (soweit aufgrund dichter Besiedlung sinnvoll) durch Ausweisung eines funktionierenden, großzügigen Reit- und Fahrwegenetzes.
  4. Zur Absicherung der Waldbesitzer gegen Schäden durch das Reiten & Fahren im Wald würde die VFD bei Umsetzung der Punkte 1 – 3 eine zweckgebundene Reitabgabe mittragen.

Hintergründe und Begründungen

Die Interessen der Waldeigentümer, anderer Erholungssuchender und Nutzergruppen sind uns Freizeitreitern und -fahrern sehr wichtig. Wir gehen auch spazieren, joggen, fahren Fahrrad, versuchen die Natur durch unsere Umsicht und durch aktive Maßnahmen zu schützen und besitzen manchmal auch selbst Waldfläche. Die Un-Gleichbehandlung des Reitens halten wir jedoch in ihrer Reichweite im Land Brandenburg für völlig unangemessen und unverhältnismäßig. Die Regelungen suggerieren eine Störungsintensität des Reitens im Wald, die höchstens in Ausnahmefällen zutrifft. Gegenüber den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung ist sie so gering, dass die Verhältnismäßigkeit gegenüber der gegenwärtig gesetzlich festgeschriebenen flächendeckende Umsetzung eines Reitwegesystems nicht gegeben ist.

Mit welchen Störungen durch Reiter sich der ungeheure Verwaltungs-, Kosten und Arbeitsaufwand zur Ausweisung von Reitwegen verantworten lässt, ist für uns nicht nachvollziehbar.

Zumal der Bedarf an Reitwegen nicht eindeutig definierbar ist. Z.B. ergeben sich durch den Zu- oder Wegzug von Pferdehaltern aus einem Dorf, durch die Eröffnung eines neuen Reiterhofes oder durch das touristische Angebot „Reiten auf dem Bauernhof“ immer wieder neue Erfordernisse. Auch machen unsere Mitglieder die Erfahrung, dass ihr Wegzug in berlinferne Regionen ihre Reitmöglichkeiten nicht verbessert, sondern sie teilweise wesentlich restriktiveren Reitmöglichkeiten gegenüberstehen als zuvor im Randbereich Berlins, in dem die Forstbehörden hinsichtlich der Reitwegeausweisung einem erheblich höheren Druck ausgesetzt sind.

Durch das absolute Gebot, Reitwege benutzen zu müssen, lassen sich Gesetzesübertretungen kaum umgehen. Einmal ist eine Gaststätte nicht angebunden, ein andermal befindet man sich auf einem längeren Ausritt und wird durch ein Hindernis oder Zeitbedrängnis zum Abweichen von der vorgesehenen Strecke gezwungen. Aber auch Reiter möchten ihre Freizeit und ihren Urlaub ohne „Schuldgefühle“ oder „Angst vor dem nächsten Förster“ genießen.

Das immer wieder herangezogene Konfliktpotenzial zwischen Reitern und anderen Erholungssuchenden wird dadurch stark überbewertet, dass lokal auftretende Probleme auf die gesamte Fläche Brandenburgs projiziert werden.

Sandige Wege wie sie in Brandenburg typisch sind, sind grundsätzlich nicht besonders gut zum Fahrradfahren (dafür umso besser zum Reiten) geeignet – es sei denn sie werden regelmäßig von Kfz verdichtet. Der Trend asphaltierteFahrradwege auch fernab von Straßen quer durch Wälder und Schutzgebiete anzulegen, zeigt ebenfalls, dass das Fahrradfahren auf Wald- und Feldwegen nicht ursächlich durch die Spuren von Pferdehufen erschwert wird.

Die Erfahrung vieler Reiter, dass sich die meisten Fußgänger über den Anblick eines vorbeikommenden Pferdes freuen und dies für Kinder oft sogar einen besonderen Erlebniswert hat, zeigt ebenfalls, dass es kein pauschal formulierbares unumstrittenes Konfliktpotenzial mit anderen Erholungssuchenden gibt.

Auch Wildschweine graben täglich große Bereiche des Waldbodens, bevorzugt sogar in sensiblen Feuchtgebieten oder naturnahen Waldbeständen um. Solange dies nicht im Übermaß geschieht, wird von niemanden eine Gefährdung des Waldes oder der Natur vermutet. Zur Pflege und Nutzung der Bestände werden die Wege mit schweren Arbeitsfahrzeugen zerfahren und zunehmend vorher ausgebaut. Demzufolge kann der Abdruck von Pferdehufen allenfalls als ästhetisches Problem bzw. als eine geringfügige Unannehmlichkeit und dies auch nur in von Reitern besonders frequentierten Gebieten betrachtet werden.

Brandenburgs Reitern stellt sich seit 10 Jahren die Frage, warum die Vorschriften in diesem Land so viel restriktiver sein müssen, als in anderen waldreichen Bundesländern. Dabei hat Brandenburg eine deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegende Bevölkerungs- und Pferdedichte und einen über dem Bundesdurchschnitt liegenden Waldflächenanteil. (vgl. Anlage)

Nicht zuletzt hat unsere Erfahrung mit dem vorhandenen Reitwegenetz gezeigt, dass die letztlich abgestimmten und ausgewiesenen Reitwege selten den Bedürfnissen gerecht werden. Im schwierigen Abstimmungsprozess bleiben oft nur „Reit“wege übrig, die am Bedarf vorbeigehen, da sie u.a.

  • keine Anbindung an Wege in Nachbargebieten haben,
  • „überflüssigerweise“ auf ohnehin öffentlichen Straßen und Wegen liegen,
  • in nicht unerheblicher Größenordnung auf den Wundstreifen entlang von vielbefahrenen Straßen und Bahntrassen verlaufen (Gefährdungspotenzial durch weggeworfenen Müll, zeitweise unbenutzbar durch das regelmäßige Scheiben…),
  • auf betonierten, asphaltierten oder geschotterten Wegen und Straßen entlangführen,
  • nur in eine Richtung und uneindeutig ausgeschildert sind.

Und obwohl es auch gute Beispiele und verständnisvolle Forstbeamte gibt, führt die zunehmende Enttäuschung über die Ergebnisse zu nachlassender Bereitschaft, sich weiter im Prozess der Reitwegeausweisung einzubringen. Eigentlich müssen wir Freizeitreiter und -Fahrer uns vom Arbeitsleben erholen und wollen dies mit und über unsere Pferde erreichen.

Hinsichtlich einer Reitwegeabgabe ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis gründlich abzuwägen. Auch hier ist ein nicht unerheblicher Verwaltungs- und Kontrollaufwand gegeben. Es stellen sich dazu viele Fragen wie z.B. „Wie werden Urlauber mit Pferd aus anderen Bundesländern erfasst?“, „Wie wird die Zweckbindung der Abgabe gewährleistet?“. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die Umsetzbarkeit in der Praxis nicht zufriedenstellend möglich ist.

Auch die Ausweisung von sogenannten „Reitgebieten“ hat sich in der Praxis (z.B. in Nordrhein-Westfalen) nicht bewährt, zumal bereits das Ausweisungsverfahren eines einzigen „Reitgebietes“ einen unverhältnismäßigen langwierigen Prozess bedeutet. Eine zeitnahe, spürbare Verbesserung der Bedingungen für das Reiten und Fahren in Brandenburg halten wir durch diese Regelung nicht gewährleistet.

Der Widerstand gegen die allgemeine Gestattung des Reitens auf Wegen im Wald resultiert unserer Meinung nach aus emotionalen Vorbehalten gegen die Reiterei und übertriebenen Verallgemeinerungen möglicher Konfliktpunkte. Reiten und Gespannfahren sind Fortbewegungsmethoden, die über Jahrtausende praktiziert wurden. Unsere doch erhaltenswerte Kulturlandschaft ist mit Hilfe der Pferde entstanden. In unserer technikdominierten Zeit finden sehr viele Menschen gerade über das Pferd und das Reiten einen Zugang zur Natur und zu den landschaftlichen Reizen unserer Heimat, auch und gerade abseits der touristischen Hauptanziehungspunkte. Jedes überflüssige Verbot und jede überflüssige Regelung befördert das Image Brandenburgs als pferdefeindliches Land. Ist das gewollt? Sind nicht die positiven Auswirkungen für die Gesellschaft, die sich aus der Beschäftigung mit dem Pferd und dem Reiten ergeben, ungleich höher zu bewerten, als Trittspuren auf einem Waldweg? Freizeitreiten ist längst Volkssport geworden und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum (4 Pferde = 1 Arbeitsplatz). Durch ihren Bedarf an Gras, Heu und Stroh tragen Pferde nicht unerheblich zum Erhalt der Kulturlandschaft und traditioneller Anbaukulturen bei. Eine Vielzahl weiterer Argumente und Details ließen sich anführen und wurden bereits an anderer Stelle geäußert.

Fazit ist: Es wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die Fortbewegung mit dem Pferd ist keine Gefahr für unsere Gesellschaft oder für wildlebende Tiere und Pflanzen, die die bestehenden und geplanten gesetzlichen Restriktionen rechtfertigen würde, sondern eine erhaltenswerte Tradition mit vielen positiven Aspekten für unser Land.

In der zuversichtlichen Erwartung, dass unsere Argumente zu einer angemessenen und kostengünstigen Regelung des Reitens und Gespannfahrens im Land Brandenburg beitragen werden, und

mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Birgit Groth

VFD