HistorieReitrecht

Brandenburg hat eine neue Reitverordnung – ein Erfolg ??

MLUR-Minister Wolfgang Birthler (SPD) hat am 5.11.01 die bisherige Rechtsverordnung (RVO) zum Landeswaldgesetz (LWaldG) geändert. In der Pressemitteilung dazu heißt es:

„Damit werden in Brandenburg noch schneller und noch mehr Strecken für das Reiten zur Verfügung stehen. Der hohe Verwaltungsaufwand hat hier in der Vergangenheit verhindert, dass die sehr guten Bedingungen für das Wanderreiten in Brandenburg nicht genutzt werden konnten. 1990 gab es auf dem Gebiet des Bundeslandes Brandenburg 0 Kilometer ausgewiesene und ausgebaute Reitwege. Heute sind allein durch die Landesforstverwaltung über 5.000 Kilometer ausgeschildert. Dennoch ist der Bedarf noch weit größer als das Angebot. Zudem sind einzelne Streckenabschnitte nicht sinnvoll miteinander vernetzt.“

Schön, dass die Landesregierung den „Wirtschaftsfaktor Pferd“ endlich für Brandenburg entdeckt hat. Allerdings trägt die neue RVO wohl kaum zu einer schnellen und gründlichen Förderung des Freizeit – und Geländereitens bei.“Noch schneller und noch mehr Strecken“ ist eine Farce; dass es 1990 „0 Kilometer ausgewiesene und ausgebaute Reitwege“ in Brandenburg gab, eine Irreführung: bis zum Inkrafttreten des LWaldG 1992 durfte in Brandenburg nahezu ÜBERALL geritten werden, während man heute ordnungswidrig handelt, weicht man von den wenigen ausgewiesenen „Reitwegen“ ab. Und den „hohen Verwaltungsaufwand“ hat Birthler nun zum größten Teil von den Forstämtern auf die Reiter abgewälzt

Hier der Wortlaut der neuen RVO :

Verordnung zur Änderung der Reitverordnung

Vom 5. November 2001

Auf Grund des  § 20 Abs. 3 Satz 4 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg vom 17. Juni 1991 (GVBl. S. 213) verordnet der Minister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung:

Artikel 1

Die Reitverordnung vom 4. Juni 1993 (GVBl. II S. 272) wird wie folgt geändert:

§ 2 wird wie folgt gefasst:

 § 2
Ausweisung und Kennzeichnung von Reitwegen

(1) Die untere Forstbehörde soll nach Anhörung der Waldbesitzer genügend geeignete, möglichst zusammenhängende und an bereitbare Wege außerhalb des Waldes anschließende Waldwege ausweisen, auf denen das Reiten gestattet ist.

(2) Die untere Forstbehörde weist auf Antrag Wege aus, wenn eine zwischen Reitern oder deren Vereinigungen oder Reitunternehmen und den Besitzern oder Eigentümern der Waldwege abgeschlossene Vereinbarung über die Nutzung der Wege und über die für die Pflege sowie die Beseitigung von Schäden erforderlichen Aufwendungen vorliegt, es sei denn, durch die Ausweisung werden sonstige Rechtsgüter unzumutbar beeinträchtigt oder andere Erholungssuchende insbesondere auf Fuß- und Radwanderwegen sowie Sport- und Lehrpfaden unzumutbar behindert. Die Ausweisung kann bis zur Laufzeit des Vertrages befristet werden.

(3) Die Ausweisung von Wegen kann widerrufen werden, wenn insbesondere der Forst- und Naturschutz, die Wald- und Wildbewirtschaftung, die schutzwürdigen Interessen des Waldbesitzers oder der Schutz von anderen Erholungssuchenden es erfordern.

(4) Die untere Forstbehörde gibt die Ausweisung öffentlich bekannt.

(5) Wege, auf denen das Reiten gestattet ist, sind von der unteren Forstbehörde durch Schilder kenntlich zu machen. Grundstückseigentümer und Waldbesitzer haben die Kennzeichnung zu dulden.“

Artikel 2

Verfahren, die beim In-Kraft-Treten dieser Verordnung bereits eingeleitet waren, werden nach den bisherigen Verfahrensvorschriften der Reitverordnung weitergeführt. Die Ausweisung von Wegen nach  ? 2 der Reitverordnung in der vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung geltenden Fassung bleibt bestehen.

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Potsdam, den 5. November 2001

Der Minister für Landwirtschaft,
Umweltschutz und Raumordnung

Wolfgang Birthler

Im Klartext bedeutet das für uns folgendes :

  • Die unteren Forstbehörden ( = Ämter für Forstwirtschaft, ÄfF) brauchen nun Landkreise und Stadtverwaltungen nicht mehr in das Ausweisungsverfahren einzubeziehen, die leider und unverständlicherweise häufig über die Untere Naturschutzbehörde gegen Reiten auf Waldwegen sind, sondern nur die Waldbesitzer „anhören“ – aber kein Einvernehmen mit ihnen herstellen. Das ist in der Tat eine Vereinfachung des Verfahrens.
  • Die ÄfF sollen a) genügend b) geeignete c) zusammenhängende und d) an die offene Landschaft anschließende Wege ausweisen, und zwar von sich aus, ohne dass erst ein Reiter einen Antrag stellen müsste. Dass die Forstämter deshalb jetzt plötzlich mehr und bessere Reitwege als bisher ausweisen, dürfte eine Illusion sein, zumal die Reiter wieder nicht am Verfahren beteiligt werden müssen. Siehe auch die Reaktionen der ÄfF zum aktuellen Stand in den Forstamtsbereichen
  • Die ÄfF müssen die Waldwege als Reitwege ausweisen, über die Reiter /Reitverein /Reitbetrieb sich mit dem Waldbesitzer in Form einer „Vereinbarung“ geeinigt haben, außer den „es sei denn“ -Einschränkungen in Absatz (2). Das soll dazu dienen, zusätzlich zu den vom AfF auszuweisenden Wegen Möglichkeiten zum Reiten zu schaffen.

Hier liegt der Knackpunkt der RVO, den LPBB und VFD in den Verhandlungen immer wieder bemängelt haben:

  • Als Reiter kennt man die Waldbesitzer oft gar nicht, und selbst wenn, ist man nur Bittsteller.
  • Kommt eine privatrechtlichen Vereinbarung zustande, werden die Wege nach  § 20 Abs. (3) LWaldG als Reitweg ausgewiesen. Damit darf sie jeder Reiter benutzen. Wer soll als Vertragspartner eines Waldbesitzers für andere Reiter die Verantwortung für die Einhaltung der Vereinbarung übernehmen? Die Vereine? Die Reitbetriebe? Private Pferdehalter?
  • Was passiert, wenn eine befristete Vereinbarung nicht verlängert oder die Ausweisung als Reitweg nach (3) widerrufen wird? Wo ist hier die Rechtssicherheit für Wanderreiter, die mit Reitwegekarten unterwegs sind? Wer entscheidet über den Widerruf? Ist gewährleistet, dass die Reiter vorher angehört werden? Ist sich das MLUR über den gewaltigen Aufwand im klaren, den in einem solchen Fall das Entfernen der Reitwegeschilder und das Streichen der Wege aus den Reitwegekarten mit sich bringt??
  • VFD und LPBB haben darauf bestanden, dass der Begriff „Aufwendungen“ in der RVO nicht auftaucht – leider vergeblich. Pauschale Zahlungen an Waldbesitzer für vermeintlich notwendige „Aufwendungen für Pflege und Beseitigung von Schäden“ sind eine versteckte Reitabgabe, dafür gibt es bisher keine Rechtsgrundlage im LWaldG!

Brandenburg will Wanderreiten zu einem Markenzeichen machen. Diese RVO geht in die falsche Richtung. Bleibt zu hoffen, dass die anstehende Änderung des Landeswaldgesetzes wirklich zeigt, wie ernst es Potsdam damit ist.

Eure Hilke Patzwall