HistorieReitrecht

Stellungnahme der Reitverbände

Stellungnahme der Vereinigung der Freizeitreiter und -Fahrer in Deutschland, Landesverband Berlin-Brandenburg eV. (VFD) und des Landesverbands Pferdesport Berlin-Brandenburg eV. zum Sachstand Neufassung LWaldG und BbgNatSG

05.02.2001

Sehr geehrter Herr Dr. Hoppe,

vielen Dank für die Zusendung des Protokolls der Arbeitsgruppensitzung am 10.01.01 sowie der schriftlichen Stellungnahmen der anderen Teilnehmer. Wir möchten gern die Vielzahl der nun vorliegenden Meinungen und Anregungen aus unserer Sicht bewerten und damit in der weiteren Diskussion eine fachlich fundierte Grundlage geben.

Zunächst möchten wir klarstellen, dass die Reitverbände zu keinem Zeitpunkt Zustimmung zur Beibehaltung der gesetzlichen Wirkungsweise des  §20 (3) LWaldG (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) signalisiert haben. Insofern stellte das Protokoll der Arbeitsgruppensitzung am 29.11.2000 keinen abgestimmten Sachstand dar und löste bei den Reitverbänden Irritation aus. Zu den mit diesem Protokoll zugesandten Gesetzesentwürfen haben wir bereits ausführlich Stellung genommen. Aus den genannten Gründen vertreten wir nach wie vor die Auffassung, dass für den grössten Teil Brandenburgs, also ausserhalb der Ballungsräume, nur eine Umkehrung der Wirkungsweise des  §20 (3) LWaldG eine langfristige Entspannung der Reitwegesituation bewirken kann, wie sie für die Entwicklung des Wirtschaftsfaktors Pferd erforderlich ist.

Der hohe personelle und finanzielle Aufwand, der mit der Ausweisung von Reitwegen und Reitgebieten verbunden ist, sollte auf die Gebiete beschränkt bleiben, in denen eine Entmischung der Erholungssuchenden aufgrund hoher Nutzungsfrequenz tatsächlich sinnvoll ist. Bei attraktiver Ausweisung der Reitwege und Reitgebiete werden die Reiter diese gern annehmen, da man zu Pferd inmitten von Fussgängern und Radfahrern aufgrund des Fluchtreflexes des Pferdes wesentlich gefährdeter ist als abseits der übrigen Nutzer.
Ausserhalb dieser Ballungsräume besteht keine sachlich begründete Veranlassung, das Reiten grundsätzlich zu verbieten und nur auf einigen Wegen oder in speziell zur Verfügung gestellten Reitgebieten zu gestatten. Hier sollte der Grundsatz der deutschen Rechtsauffassung gelten (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt) und Wege nur dann für das Reiten gesperrt werden, wenn sich dies vor Ort als erforderlich erweist. Neben Naturschutzgründen kann dies eigentlich nur bei Beschädigung der Wege durch das Reiten der Fall sein. Wir sehen ein, dass diese ggf. entstehenden Schäden nicht zu Lasten der Waldeigentümer gehen können und würden daher eine angemessene zweckgebundene Reitabgabe bei Freigabe aller Waldwege für das Reiten zur Diskussion stellen. Damit wäre die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in keinem Fall überstrapaziert.

Insbesondere für den Bundes-, Landes- und Kommunalwald stellt sich die Frage, ob ein prinzipielles Verbot des Reitens auf allen Waldwegen rechtlich begründet werden kann. Dieser Wald soll dem Nutzen aller Bürger zugute kommen. Auch Reiter sind Bürger und haben nach dem Gleichheitsgrundsatz gemäss Artikel 3 Grundgesetz den gleichen Anspruch auf Nutzung der Waldwege wie die im Wesentlichen gleich-gelagerten Sachverhalte Radfahren und Wandern.
Nun im Einzelnen zu den Stellungnahmen der anderen Beteiligten

Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände (LaN)

Die „Zerstörung“ der Wege durch Pferdehufe kommt nur in Regionen Brandenburgs mit hoher Pferdedichte vor. Diese fallen unter den Begriff des Ballungsraumes, in dem ja sowieso von einem separaten Reitwegenetz abseits der übrigen Besucherströme ausgegangen wird. Auch Herr Fritsch als Vorsitzender des Kreisreiterverbands Potsdam-Mittelmark befindet sich mit seinem Verband mitten im Ballungsraum.

Der „beklagte“ märkische Sandboden macht Brandenburg in Deutschland neben der Lüneburger Heide einmalig gut geeignet für das Reiten Dass darauf das Radfahren von Natur aus schwierig ist, kann nicht den Reitern angelastet werden. Pferdespuren auf Sandwegen sind im Übrigen kein ökologisches, sondern bestenfalls ein ästhetisches Problem. Bei einem gemeinsamen Ausflug mit fünf Pferden und vier Fahrrädern in der Uckermark im Oktober 2000 konnten sich sowohl Herr Herzog (LaN) als auch Herr Horst (Die Naturfreunde) davon überzeugen, dass die gemeinsame Nutzung der Wege durch Radfahrer und Pferde keineswegs problematisch war (siehe Foto, Anlage 1). Dort, wo das Radfahren anstrengend war, machten den Radlern Traktorspuren mehr zu schaffen als vermeintlich durch Pferdehufe zerstörte Wege.

Eine Verdrängungswirkung der übrigen Erholungssuchenden in sensible Naturbereiche, die ja der wandernden und radfahrenden Allgemeinheit sowieso zugänglich sind, ist nur dann zu befürchten, wenn alle Reiter einer Region auf wenige Wege festgelegt werden, die dann bei starkem Beritt tatsächlich von anderen Nutzern gemieden werden. Aus naturschutzfachlicher und jagdlicher Sicht ist der sich sowieso nur auf Wegen aufhaltende Reiter dem oft noch mit Hund abseits der Wege durch Dickungen und Gebüsch spazierende Fussgänger (Pilzsammler z.B.) wesentlich unschädlicher.
Anmerken möchten wir weiter, dass Rheinland-Pfalz keine Mindestbreite bei bereitbaren Wegen in seinem neuen LWaldG vorsieht! Die zitierte Regelmindestbreite war zwar in einer Entwurfsfassung der Begründung enthalten, wurde aber schliesslich wegen der schwierigen Messbarkeit nicht ins Gesetz aufgenommen. Fusswege und -pfade werden auch von seiten der brandenburgischen Reitverbände nicht zum Reiten gewünscht. Allerdings halten wir das neu in den Formulierungsentwurf zum LWaIdG aufgenommene strikte Verbot, auf Wanderwegen zu reiten, für unsinnig. Es widerspricht dem für den Formulierungsvorschlag zum BbgNatSG erzielten Konsens, eine fallweise Freigabe je nach Wegebreite auch für das Reiten ausdrücklich zuzulassen.

Der angeführte Leitfaden aus Niederösterreich bietet in der Tat hervorragende Ansatzpunkte für die Vermarktung eines „Pferdelandes“. Diese rein kommerzielle Betrachtungsweise berücksichtigt allerdings nicht den privaten, einheimischen „Spazierreiter“, der weder touristischer Wegeführung noch kommerzieller Reitbetriebe bedarf, um sich in der Natur mit seinem Pferd zu erholen. Die Arbeitsgruppe war sich bereits einig darüber, dass das Reiten zum Zwecke der privaten Erholung eine weitergehende rechtliche Liberalisierung erfahren sollte als die kommerzielle Nutzung privater Waldwege durch Reitbetriebe.

Zum Formulierugsvorschlag BbgNatSG stellt sich die Frage, warum das LaN das Reiten sogar weiter als bisher der Fall einschränken will. Hier verweisen wir noch einmal auf das bereits bekannte Positionspapier „Naturschutz und Pferd“, sowie auf das Gesetz zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (LandschaftsG) aus Nordrhein-Westfalen (siehe Anlage 2), das selbst in diesem dicht besiedelten Bundesland dem Reiter ein generelles Betretungsrecht auf privaten Strassen und Wegen einräumt.

2. Waldbesitzerverband Brandenburg e. V.

Wander- und Geländereiten ist eine sehr naturverbundene Angelegenheit. Die Einhaltung der Vorschriften aus  19 (2) LWaldG sind jedem verantwortungsvollen Reiter eine Selbstverständlichkeit. „Erheblich betroffen“ könnte ein Waldbesitzer durch die Freigabe der Waldwege für das Reiten nur dann sein, wenn dadurch erhebliche Schäden an den Wegen entstehen, was nur in Ballungsräumen geschehen kann. Wie oben bereits erwähnt, wären die Reitverbände ggf. bereit, bei einer generellen Gestattung des Reitens auf Waldwegen eine angemessene zweckgebundene Reitabgabe für die Beseitigung solcher Schäden zur Diskussion zu stellen. Der verwaltungstechnische Aufwand, der damit verbunden wäre, steht unseres Erachtens allerdings in keinem Verhältnis zu den wenigen tatsächlich anfallenden unzumutbaren Beschädigungen der Wege durch Pferde.

Wir stimmen dem Waldbesitzerverband zu, dass die kommerzielle Nutzung privater Waldwege einer gesonderten Vereinbarung mit dem Eigentümer bedarf. Die private Erholung mit dem Pferd sollte weitestgehend dereguliert werden.
3. Landessportbund Brandenburg e. V.

Die regionale Handlungsfreiheit ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der Regelungen durch die vor Ort Betroffenen. Dies setzt eine grosszügige Rahmen-regelung im LWaldG und im BbgNatSG voraus, die den Natursportlern —  auch den Reitern —  weitestgehende Bewegungsfreiheit lasst und nur dort beschränkend eingreift, wo es wirklich erforderlich ist.
Die beiliegenden Stellungnahmen von BTE, Öko-Agro-Consult, dem Bauernverband Uckermark und des Touristenvereins Die Naturfreunde machen diese Position ebenfalls sehr deutlich.
Den Ressentiments gegen die allgemeine Gestattung des Reitens auf Wegen im Wald liegen zumeist offenbar eher emotionale Vorbehalte gegen die Reiterei zugrunde als tatsächliche negative Erfahrungen. Warum ? Reiten und Gespannfahren sind jahrhundertealte Tradition in Brandenburg. Die Hälfte aller Mitglieder in den Reit- und Fahrverbänden des Landes ist unter 18 Jahre alt. Freizeitreiten ist längst zum Volkssport geworden, der von allen gesellschaftlichen Schichten ausgeübt wird. Pferde sind Natur, Sympathieträger, Umweltpädagogen. Sie helfen bei verschiedenen Therapien, sind Sport- und Freizeitpartner für naturverbundene Stunden. Sie sind Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum (4 Pferde 1 Arbeitsplatz !) Landschaftspfleger auf extensiven Weiden. Insbesondere Mädchen und Frauen finden in der Beschäftigung mit dem Pferd in der Natur ein ausfüllendes Hobby, dem vor allem auf dem Land kaum Alternativen gegenüberstehen. Freizeitreiter erwarten keine finanzielle Förderung, wie sie in andere Sportarten fliesst (z.B. Radwegebau). Die Mittel, die zur Zeit für die Schaffung eines „Reitwegenetzes“ aufgebracht werden, könnten dem Ausbau der übrigen Tourismusinfrastruktur zugute kommen. Reiter sind selbst auch Radfahrer, Mütter und Väter mit Kinderwagen, Wanderer, Jäger, Waldbesitzer, etc. Sie erwarten nur eine Gleichstellung und Gleichbehandlung mit anderen Gruppen von Erholungssuchenden in der Natur. Eine gesetzliche Einschränkung des Reitens auf einige speziell ausgewiesene Wege kann deshalb nicht der richtige Weg für Brandenburg sein.

Mit freundlichen Grüssen,

VFD
i.V. H.Patzwall
Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg
P.Danckert