ParagraphenreiterReitrechtTierhalterhaftung

Tierhalterhaftung bei sogenannten Nutztieren

Von GuSh

Hier geht es um:

Tierhalterhaftung bei sogenannten Nutztieren, wann ist ein Haustier ein „Nutztier“ und wann ein „Luxustier“. Diese Abgrenzung ist von Bedeutung, weil die Haftung bei „Luxustieren“ uneingeschränkt ist, wogegen der Halter einen „Nutztieres“ die Möglichkeit hat, sich von der Haftung zu entlasten.

Sachverhalt:

Am frühen Morgen (5:50 Uhr) des 15.09.2011 fuhr der Angestellte des Klägers mit dessen Kleinbus auf der Straße X entlang. Er kollidierte mit einem Pferd des Beklagten, welches sich nach einem Ausbruch aus der Koppel auf der Fahrbahn befand.

Bei dem Unfall hat der Angestellte schwere Verletzungen erlitten, die eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich zogen. Das Fahrzeug wurde erheblich beschädigt.

Für das Pferd endete die Kollision tödlich.

Der Halter des Fahrzeugs und Arbeitgeber des Fahrers macht im Wesentlichen Ersatz des Schadens für das Fahrzeug und Lohnfortzahlungskosten für seinen Angestellten geltend.

Der Beklagte L wendet gegenüber diesem Schadensersatzanspruch ein, dass er als Halter eines Haustieres, das seiner Erwerbstätigkeit dient und das unter Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt untergebracht war, von der Ersatzpflicht frei wird.

L hat als Nebenerwerbslandwirt eine Pferdezucht betrieben. Er hatte zwei trächtige Stuten, einen Hengst und einen Wallach. Die Stuten waren auf einer Koppel untergebracht, die ca. 250 bis 300 m von der Straße entfernt war. Die Koppel war mit an Holzpfosten befestigten Elektrobändern eingezäunt. Der Beklagte L war hauptberuflich in einer Molkerei tätig und wohnte ca. 3 bis 5 km von der Koppel entfernt.

Zu dem Unfallereignis kam es folgendermaßen: Am Unfalltag fuhr der Fahrer mit dem Kleinbus auf der Straße X. Auf der Gegenfahrbahn standen zwei Fahrzeuge mit eingeschaltetem Licht, bei einem davon wurde die Lichthupe betätigt. Der Fahrer fuhr an den stehenden Fahrzeugen vorbei und sah erst dann die Pferde auf der Fahrbahn, trotz Vollbremsung konnte eine Kollision nicht mehr verhindert werden.

Eine der trächtigen Stuten starb dabei.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der genannten Schäden, wurde in erster Instanz vom LG (Landgericht) abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung wurde vom OLG (Oberlandesgericht) zurückgewiesen.

Vom BGH (Bundesgerichtshof) wurde mit Urteil vom 14. Februar 2017 – VI ZR 434/15 die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Begründung:

Die Entscheidung des OLG hält der Nachprüfung durch den BGH nicht stand. Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und im Berufungsverfahren vor dem OLG wurde die grundsätzliche Haftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) abgelehnt.

§ 833 Haftung des Tierhalters (Gesetzesauszug)

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Eine Ersatzpflicht tritt nach § 833 Satz 2 BGB nicht ein, wenn: (Gesetzesauszug)

Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. (sogenannter Entlastungsbeweis)

Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und im Berufungsverfahren vor dem OLG wurde entschieden, dass die Ersatzpflicht des Beklagten entfällt, weil die getötete Stute ein Haustier war, das seiner Erwerbstätigkeit, nämlich der von ihm als Nebenerwerbslandwirt betriebenen Pferdezucht, zu dienen bestimmt war. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass er bei der Beaufsichtigung, nämlich der Einzäunung, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.

Diese Feststellungen wurden vom BGH nachgeprüft und beanstandet.

Die Feststellungen der Vorinstanzen, dass das Pferd zur Ausübung der Erwerbstätigkeit diene, beruhten im Wesentlichen auf folgenden Umständen:

Für die Bestimmung, ob ein Haustier ein sogenanntes Luxustier sei oder als Nutztier der Erwerbstätigkeit des Halters dienen soll, sei maßgeblich welche Bestimmung der Halter dem Tier gebe. Insofern sahen die Vorinstanzen es als plausibel an, dass der Beklagte die aus den Stuten hervorgehenden Fohlen habe verkaufen wollen. Seine Erwerbsabsichten kämen auch darin zum Ausdruck, dass ihm per Bescheid eine Betriebsnummer erteilt worden sei, er also einen landwirtschaftlichen Betrieb zur Haltung von Pferden habe führen wollen. Ein weiteres Indiz dafür sei, dass er, wenn auch erst nach dem Unfall, eine Baugenehmigung zur Errichtung einer neuen Halle mit Pferdeboxen erhalten habe.

Allein der Umstand, dass die Stuten zum Unfallzeitpunkt trächtig gewesen seien und er die Fohlen habe verkaufen wollen, spreche dafür, dass er schon zu dieser Zeit eine, im Aufbau befindliche Pferdezucht mit Gewinnerzielungsabsichten habe betreiben wollen.

Als weitere Voraussetzung für den haftungsausschließenden Entlastungsbeweis muss bei der Beaufsichtigung des Tieres die, im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet worden sein.

Nach Auffassung der Vorinstanzen handle es sich bei der Art der der Einzäunung um eine übliche und angemessene Sicherungsmaßnahme. Durch die stromführenden Elektrobänder, vorausgesetzt dass diese intakt waren, woran hier kein Zweifel bestand, würden die Pferde in effektiver Weise am Ausbrechen gehindert. Ein nächtliches Aufstallen sei, auch nach den Ausführungen des Sachverständigen, nicht zu fordern.

Der BGH hat diese Feststellungen im Einzelnen mit folgenden Gründen gerügt:

Die Begründung der Vorinstanzen, warum die klägerische Stute seiner Erwerbstätigkeit zu dienen bestimmt gewesen sei, reiche nicht aus. Erwerbstätigkeit ist eine auf die objektive Gewinnerzielung angelegte Tätigkeit, allein die Absicht mit der Pferdezucht Gewinne zu erzielen genüge nicht. Nach Auffassung des BGH fehlte es an jeglichen Feststellungen, dass der Zuchtbetrieb geeignet war Gewinne zu erwirtschaften. Hier hätte dargelegt werden müssen, ob die Verkaufserlöse der zukünftigen Fohlen die Kosten für den laufenden Unterhalt der Pferde decken und darüber hinaus ein Gewinn verbleibe. Nach den Unterlagen des Klägers wurden bislang nur Verluste erwirtschaftet. 

Zur weiteren Frage, ob die Art der Einzäunung der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprach, wären nach Auffassung des BGH weitere Prüfungen anzustellen gewesen.

Zwar kam ein Sachverständigengutachten in den vorinstanzlichen Verfahren zu der Feststellung, dass die Einzäunung üblich und angemessen sei, hierbei wurden jedoch nicht die Einwendungen des Klägers berücksichtigt, dass aufgrund der Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten („Der sichere Weidezaun“) andere Sicherungsmaßnahmen angebracht gewesen seien. Hierbei handelt es sich zwar um eine Empfehlung ohne Gesetzescharakter, zur abschließenden Bewertung in einem Sachverständigengutachten hätte diese Empfehlung jedoch mit herangezogen werden müssen. Zumal daraus andere Schlussfolgerungen zu treffen gewesen wären, was die Angemessenheit des sicheren Weidezauns betrifft. Nach der Empfehlung läge die Koppel im Risikobereich 2 (Weidegebiete an mäßig befahrenen, entfernten Straßen, die nicht unter ständiger Kontrolle sind), hierfür wurde eine „Einzäunung mit fester Umzäunung und Elektroband-Unterstützung“ empfohlen.

Der BGH hat mit seiner Entscheidung den Fall an das Berufungsgericht zurückgegeben, das nun neue Feststellungen im genannten Sinne zu treffen hat und in der Sache neu entscheiden muss.

Was sagt uns dieses Urteil?

Der BGH hat mit seiner Entscheidung zwar keine eigenen Feststellungen zur Frage der erwerbsmäßigen Ausübung der Pferdehaltung bzw. –zucht getroffen, er hat jedoch den Rahmen vorgegeben, nachdem zu prüfen ist, wann von einer erwerbsmäßigen Pferdezucht gesprochen werden kann. Maßgeblich ist, ob nach Abzug aller Aufwendungen ein Gewinn übrig bleibt.

Interessant ist auch, dass die Empfehlung des Bayerischen Staatsministeriums zur Frage der Angemessenheit einer sicheren Einzäunung zu berücksichtigen ist. Es wurde gerügt, dass sich in dem Sachverständigengutachten nicht damit auseinandergesetzt wurde. Hier sieht man inwieweit sich Fachpublikationen auf die Rechtsprechung auswirken. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass auch die VFD in diversen Publikationen Expertenbeiträge zu Themen aus Zucht, Haltung und Reit- und Fahrsport leistet.