Stellungnahme BTE – Berlin
Tourismus Management
Regionalentwicklung
BTE Berlin
29.Januar 2001
Stellungnahme zur Volksinitiative „Neufassung des Landeswaldgesetz“
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Erstellung der regionalen Reit- und Fahrwegekonzptionen für die Landkreise Barnim,Oder-Spree und die Stadt Frankfurt (Oder) sind wir seid ca drei Jahren an der Entwicklung der Infrastruktur für den Tourismus mit dem Pferd im Land Brandenburg beteiligt. Darüber hinaus haben wir in einem Gutachten für das Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung Empfehlungen erarbeitet und Erfordernisse aufgezeigt, um den Reit- und Fahrtourismus zu einem touristischen Markenzeichen für das Land Brandenburg zu entwickeln. Dieses Gutachten enthält auch Aussagen zur erforderlichen Novellierung der gesetzlichen Grundlagen für das Reiten und Fahren im Gelände.
Auf bitten des VFD und als Beitrag zur Diskussion um die Änderung von Landeswald-und -naturschutzgesetz möchten wir an dieser Stelle nochmals jene Aspekte zusammenfassend darstellen, die u. A. für die touristische Entwicklung des Landes Brandenburg von besonderer Bedeutung sind.
Verbote schrecken ab
Brandenburg gilt in Reiterkreisen als Bundesland mit einer ungerechtfertigt strengen Reglementierung des Reitens und Fahrens im Gelände. Von hiesigen Reiterhofbetreibern wurde uns des öfteren von Abwanderung ihrer Gäste berichtet. Nach anfänglicher Euphorie wegen der guten naturräumlichen Bedingungen hier zu Lande, verbringen diese Ihren Urlaub mittlerweile lieber in anderen Bundesländern. Andere kommen wegen des schlechten Image erst gar nicht her. Von der neuen gesetzlichen Regelung muss eine positive Außenwirkung ausgehen. Dies ist nur möglich, wenn gesetzliche Vorschriften, die das Reiten und Fahren einschränken, auf das erforderliche Maß beschränkt werden (so viel Reglement wie nötig, so wenig wie möglich ). Das heißt:
- bezogen auf ein Konflikt freies aber gemeinsames Naturleben: In der gegenwärtigen Diskussion kann man den Eindruck gewinnen, als sei die Begegnung verschiedener Erholungssuchender im Wald und Flur im Land Brandenburg durch Feindseligkeit bestimmt. Das bisherige kategorische Verbot des Reitens auf markierten Wanderwegen suggeriert dies und ermuntert unserer Erfahrung nach dazu, Einzelfälle als Regel darzustellen oder anzunehmen. Untersuchungen über das Konfliktverhalten unter verschiedenen landschaftsbezogenen Erholungsformen kommen jedoch zu ganz anderen Ergebnissen. Im neuen Waldgesetz von Rheinland – Pfalz hat man dem Rechnung getragen, als dass die Wegemarkierung für eine Nutzungsart eine andere Nutzung grundsätzlich nicht ausschließt.Stellt in dem wesentlich dünner besiedelten Land Brandenburg der Konflikt tatsächlich die Regel und das trägliche Nebeneinander die Ausnahme dar ?
- bezogen auf Räume unterschiedlicher Nutzungsintensität: in dem Fachbuch Ammer/ Pröbstl, „Freizeit und Natur “ aus dem Jahr 1991 heißt es: Wenn sich bei den vielen Diskussionen der letzten Jahre um forstgesetzliche Regelungen über das Reiten im Wald eine ergeben hat, dann dies,daß eine Generallösung dem Sachverhalt am wenigsten gerecht wird. Man muß differenzieren, denn es gibt weite Gebiete im ländlichen Raum, wo das Reiteraufkommen und damit die möglichen Zielkonflikte auch heute noch relativ gering sind, und es gibt Verhältnisse, wie etwa die in den Verdichtungsräumen unseres Landes, wo um das zur Knappheit gewordene Gut „Landschaft“ unter anderem auch viele Reiter konkurrieren. Wer wolle bestreiten, dass im Land Brandenburg der ländliche Raum vorherrscht. Hierzu heißt es weiter.In ländlichen Gebieten mit einem relativ geringen Reitaufkommen und Reitern, die in der Regel noch eine Bindung zur Landnutzung haben, hat sich deshalb eine Konzeption bewährt, bei der Reitverbot nur auf allen schmalen Fußwegen und Pfaden besteht, bei der sonst aber auf einschränkende Festlegungen verzichtet wird. Dies trägt einerseits dem Sicherheitsbedürfnis der Erholungssuchenden beziehungsweise der relativen Anfälligkeit solcher Pfade gegenüber Beschädigungen Rechnung und erhält andererseits dem Reiter eine große Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit. Die Möglichkeit sich weitgehend frei in der Natur bewegen zu können, ist Reitern ebenso wichtig, wie Wanderern oder Radfahrern. Sie stellt auch ein wichtiges touristisches Quallitätskriterium dar, denn Urlaub und Freizeit mit dem Pferd erfreuen sich u.a. deshalb zunehmender Beliebtheit, weil es sich um eine Form der Erholung handelt, die Bewegung in der Natur frei von Zwängen des Alltags und Berufes ermöglicht. Diese Freiheit ist wesentlicher Bestandteil des Naturgenusses. Wird sie ungerechtfertigt bzw. als ungerechtfertigt empfunden eingeschränkt, ist dem Aufenthalt in der Natur ein Großteil seines Reizes und damit den ländlichen Regionen die Basis für die Entwicklung dieses Tourismussektors genommen.
Touristisches Wegenetz für Reiter und Fahrer
Der Aufbau eines Netzes klassifizierter Wege für den Tourismus mit dem Pferd ist zunächst unabhängig von der Frage der Freizügigkeit zu sehen. Radfahrer haben im Wald und Flur freies Betretungsrecht ( auf Wegen ) und Fußgänger ebenfalls ( auch außerhalb der Wege ) und dennoch gibt es für beide Nutzergruppen ein klassifiziertes touristisches Wegenetz.
Allerdings würde die Erstellung eines touristischen Reit- und Fahrwegenetzes durch eine grundsätzliche Freizügigkeit für Reiter und Kutschfahrer (auf Wegen) erheblich vereinfacht werden. Eine derartige Erleichterung ist sogar dringend erforderlich, wenn man bedenkt, dass Streckenabschnitte des bisher im Rahmen von agrarstrukturellen Entwicklungsplanung konzipierten Fernwegenetzes, unseren Recherchen zu Folge, auf viel befahrenen Straßen verlaufen. Dies ist gezwungenermaßen der Fall, da die am besten geeigneten und schönsten Wege in solche Planungen oftmals gar nicht zur Diskussion standen, weil sie sich z.B. im Privatwald oder in der Nähe von Jagdeinrichtungen befanden. Wem aber nützt ein mit öffentlichen Mitteln erstelltes Wegenetz, bei dem es fraglich ist, ob es jemals angenommen wird, weil bei der Konzeption zu viele Kompromisse eingegangen werden mussten ?
Dass touristische Reit- und Fahrwege als Basis für die Entwicklung und Vermarktung dieses Tourismussektors und letztendlich für erhofften wirtschaftlichen Impulse im ländlichen Raum erforderlich sind, steht außer Frage. Ebenso klar ist, dass man seinen Gästen nur solche Wege empfiehlt (und nichts anderes als eine Empfehlung ist die touristische Wegweisung) die besonders schön und gut geeignet sind. Um dies tun zu können, sei es als Pferdehofbetreiber in persönlicher Form oder sei es als Fremdenverkehrsort oder Reiseregion in Form von Wegweisern, Infotafeln oder Broschüren, ist ein größeres Maß an rechtlich abgesicherter Freizügigkeit für Reiter und Kutschfahrer unverzichtbar.
Die von der Forstverwaltung im Wald durchgeführte Kennzeichnung der ausgewiesenen Reitwege ist keine touristischer Wanderwegweisung. Den Schildern fehlt es an wesentlichen Elementen, wie Ziel-, Entfernungs- und Richtungsangaben, welche Ortsunkundigen die erforderliche Orientirungshilfe geben. Der in den Schildern enthaltene Hinweis darauf, dass bei Verlassen der Wege eine Ordnungsstrafe droht, ist sogar ausgesprochen Tourismus unfreundlich. BTE hat im Auftrag des Wirtschaftsministeriums des Landes Brandenburg ein einheitliches touristisches Leitsystem entwickelt, bei dem der Reit- und Fahrtourismus eine Gleichbehandlung mit den Fuß und Radwanderern erfährt.
Gesetzliche Vorgaben müssen auch umgesetzt werden können
Derzeit stehen im Wald außer öffentlichen Straßen und Wegen nur solche für das Reiten und Fahren zur Verfügung, die von der Forstverwaltung ausdrücklich gekennzeichnet oder genehmigt sind. Dies betrifft Touristen aber auch alle anderen, die mit dem Pferd ihre Freizeit verbringen, wie z.B. Privatpferdehalter,die nach Feierabend oder am Wochenende ausreiten wollen, Vereine, in denen in der Regel Jugendarbeit geleistet wird, oder Senioren, die mit ihren Gespannen Familienfeiern und Betriebsausflüge bereichern.
Es sollte davon ausgegangen werden, dass diese Gruppen ein berechtigtes (Erholungs-) Bedürfnis haben, den Wald aufzusuchen, ist dies nur auf bestimmten Wegen möglich, müssen diese vom Umfang und der Beschaffenheit her so angeboten werden, dass dem Bedarf aller Nutzergruppen Rechnung getragen ist. Das heißt, es müssten alle Nutzergruppen bei der Festlegung der Wege berücksichtigt, im Idealfall sogar beteiligt werden. Eine derartige umfangreiche Beteiligung der Interessenvertreter der Reiter fand unserer Erfahrung nach bei der bisherigen Ausweisung der forstlichen Reitwege nicht statt. Im Zuge der vorgeschriebenen „frühzeitigen Beteiligung“ wurde allenfalls die größten Pferdehöfe im Gebiet kontaktiert, oftmals erstreckte sich die Beteiligung auf die einmonatige öffentliche Auslegung des Reitwegeplans. Dass dies entgegen den Bestimmungen der Bestimmungen der Reitverordnung möglich war, ist allerdings auch auf das geringe Engagement der Reiter zurückzuführen.
Eigentlich „Schuld“ an der derzeitigen Situation (unbefriedigende Reitmöglichkeit im Wald als wesentlicher Auslöser der Volksinitiative) scheint jedoch die Absicht an sich zu sein, die Ausübung einer landschaftsbezogenen Freizeitaktivität, deren Reiz in der möglichst zwanglosen Bewegung in der Natur besteht, flächendeckend planen und reglementieren zu wollen. Und dass, obwohl hierfür kaum sachliche Argumente bestehen, wie beispielsweise die Aussage im „Positionspapier Tourismus“ der Landesanstalt für Großschutzgebiete Land Brandenburg zur Umweltverträglichkeit des Reitens belegt.
Sollte es hier zu keiner grundlegenden Änderung kommen, stellt sich die Frage, wie die grundsätzlich wünschenswerte und für die touristische Entwicklung dringend erforderliche Verbesserung der Reitmöglichkeiten im Wald erreicht werden soll. Durch das bisherige Verfahren im Verantwortungsbereich der Forst ist es in den vielen Jahren seit Einführung des Landeswaldgesetzes und der Reitverordnung nicht gelungen, ein zufriedenstellendes Angebot an Reitwegen im Wald zu schaffen. Auch von der seit 1993 bestehenden Möglichkeit „Reitgebiete“ auszuweisen, wurde bis auf zwei Ausnahmen, kein Gebrauch gemacht. Welche Entwicklung oder Veränderung in jüngster Zeit sollten Anlaß dazu geben, anzunehmen, dass sich dies in Zukunft zum Positiven verändert ? Ist es nicht vielmehr so, dass sich die Bedingungen aufgrund erforderlicher Einsparungen finanzieller und personeller Art noch verschlechtern werden ?
Aus touristischer Sicht unbedingt zu vermeiden sind Verhältnisse, welche geeignet sind, Unzufriedenheit bei den in der Regel ortsunkundigen Touristen hervorzurufen. Wollte man weiterhin die Gesamtheit der im Wald zum Reiten und Fahren nutzbaren Wegen festlegen, müsste daher sichergestellt sein, dass
- alle in der Flur nutzbaren Wege auch einen Anschluß im Wald finden, oder wollen wir den Reitgästen zumuten, am Waldrand umkehren zu müssen
- die Wege unmißverständlich und vor allem dauerhaft gekennzeichnet sind, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war ( Verwendung rechtswidriger Schilder, von Unbekannten entfernten Schilder etc.).
- der Fall nicht mehr eintritt, dass aufgrund fehlender Schilder ein Reitgast im Unklaren über die Rechtssituation ist oder von anderen Erholungssuchenden oder Nutzungsberechtigten unberechtigterweise kritisiert wird (Gäste, die einmal aus dem Wald „verjagd“ wurden, besuchen uns sicherlich kein zweites mal !).
Die Beschilderung der Forst könnte ggf. durch eine touristische Wegweisung ergänzt werden. Beide Beschilderungsarten sind jedoch keinesfalls gegeneinander austauschbar (Forstschilder genügen Touristen wegen der fehlenden Leitfunktion nicht, touristische Schilder können die Forstschilder wegen deren rechtlichen Aussagen nicht ersetzen). Im Verlauf touristischer Routen wäre somit eine Doppelbeschilderung erforderlich. Dies wäre dann allerdings ein deutlich sichtbares Zeichen für eine Überreglementierung, die unseres Erachtens verhindert werden sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr Hartmut Rein
Geschäftsführer BTE Berlin
Matthias Schmidt
Projektleiter Naturtourismus