HistorieReitrecht

Stellungnahme der Reitverbände

Zur Anhörung Neufassung des Brandenburgischen Waldgesetzes vor dem Landtags-Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung

Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN)
Landesverband Pferdesport
Berlin-Brandenburg e.V.

25. Februar 2004

Vereinigung der Freizeitreiter- und Fahrer in
Deutschland e.V. (VFD)
Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir bedanken uns für die Möglichkeit, unsere Auffassung zum vorliegenden Gesetzesentwurf nochmals darzulegen.

Ausgelöst durch die Volksinitiative „für ein pferdefreundliches Landeswaldgesetz“, die bereits im Jahr 2000 dem Landtag über 30.000 Unterschriften überreicht hat, haben MLUR, Abgeordnete, externe Fachleute (u.a. das Tourismus-Planungsbüro BTE) und die Brandenburger Pferdeverbände in Arbeitsgruppen und an „runden Tischen“ intensiv nach einem guten Kompromiss zwischen den Interessen der Reiter und Gespannfahrer und denen der anderen Naturnutzer gesucht.

Der vorliegende Referentenentwurf für das neue Waldgesetz drückt nun die wichtigsten Erkenntnisse der Diskussion aus:

Der Wirtschaftsfaktor Pferd boomt bundesweit. Er birgt besonders für Brandenburg riesiges Potenzial.

Schon heute profitiert u.a. die Landwirtschaft:
Die ca. 30.000 brandenburgischen Pferde fressen jährlich ca. 100.000 Tonnen Heu, Stroh, Hafer und Gerste.
Die Pferdebranche setzt insgesamt -und zwar ohne besondere Förderung -über 200 Millionen € in Brandenburg um.
10.000 Arbeitsplätze in Brandenburg hängen direkt oder indirekt von Pferden ab.

Über 150 Betriebe in Brandenburg haben das Pferd als Haupteinnahmequelle.

Die Hälfte der über 17.000 Mitglieder der Pferdebände sind Jugendliche. Vor allem Mädchen und junge Frauen „auf dem Dorf“ finden in den gut 400 Brandenburgischen Reit und Fahrvereinen eine sinnvolle und naturverbundene Freizeitbeschäftigung.

Brandenburg hat alles, um „Pferdeland Nr. 1“ in Deutschland zu werden, vor allem die ‚legendären‘ – weil huffreundlichen – märkischen Sandböden und weitläufige, abwechslungsreiche Landschaft. Pferdehaltung, Zucht, Sport und der Tourismus rund ums Pferd können noch viel mehr als bisher zum Einkommen für die ländlichen Regionen beitragen.

Dazu braucht es jedoch Bewegungsfreiheit für Reiter und Gespanne. Die Ausweisung eines „Reitwegenetzes“ nach dem geltenden §20 Abs. 3 LWaldG ist 12 Jahre lang kläglich gescheitert. Sie hat unnötigen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten verursacht.

Gespannfahren ist auf Waldwegen bisher sogar nur mit Sondergenehmigung möglich.

Brandenburg hat durch die zur Zeit geltende restriktive Reitregelung im Waldgesetz einen enormen Wettbewerbsnachteilgegenüber anderen Bundesländern.

Die Angleichung (Liberalisierung !) der Brandenburgischen Reitregelung an die anderen Bundesländer (u.a. Sachsen-Anhalt und Niedersachen) wird höchste Zeit.

Der Vergleich zwischen der Kilometerzahl ausgewiesener Wege für das Radfahren und für das Reiten „hinkt“: während die Wege-Markierungen für Radler und Wanderer touristischen Charakter haben und sinnvollerweise Einheimischen und Gästen die besonderen Höhepunkte unseres schönen Landes zeigen wollen, dürfen Reiter bisher ausschließlich „ausgewiesene Reitwege“ benutzten – Abweichen bei Ordnungsstrafe verboten. Dass die meisten der vermeintlich „5.000 Kilometer Reitwege“ in Qualität und Quantität insbesondere aus touristischer Sicht am Bedarf vorbeigehen, hat auch die Landesregierung jetzt eingesehen.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf erhalten Reiter und Gespanne ein Mitbenutzungsrecht für zweispurige Wirtschaftswegeim Wald, sofern diese nicht ausdrücklich gesperrt sind. Das Reitverbot für schmale Pfade bleibt bestehen.

Konflikte mit anderen Erholungssuchenden (bspw. Wanderer und Radfahrer) sind in der Praxis seltene Ausnahmefälle an wenigen neuralgischen Punkten, meist im Berliner „Speckgürtel“. Die zwei großen Sorgen von Radlern und Wanderern (Aufwühlung des Bodens durch Pferdespuren und gegenseitige Gefährdung beim einander Begegnen) sind nur für besonders stark frequentierte Wege berechtigt.

Hier bietet der Referentenentwurf ausreichend Spielraum für die Unteren Forstbehörden, diese Wege für Reiter und Gespanne dauerhaft zu sperren. Wir möchten hier auch auf die gemeinsame Formulierung zur Vermeidung von Konflikten verweisen, die die dem Landessportbund angeschlossenen Verbände vorgeschlagen haben (siehe Anlage).

Radfahrer fahren nicht gern auf tiefsandigen Wegen, die wiederum für das Reiten am schönsten und am besten geeignet sind. Qualitativ hochwertige Radwege sollen laut ADFC möglichst asphaltiert sein. Damit sind sie für Pferdebeine sowieso untauglich, für das Reiten unattraktiv und werden bei vorhandenen Alternativen nicht von Reitern genutzt.

Im weitaus größeren Teil Brandenburgs ist jedoch insgesamt so wenig Erholungsverkehr auf den meisten Feldwegen, dass Konflikte nicht vorkommen.

Zweispurige Wirtschaftswege sind breit genug für gefahrlose Begegnungen in der Land- und Forstwirtschaft. Dass hier unmotorisierte Erholungssuchende in Konflikt geraten, ist nicht zu befürchten.
§ 1 der Straßenverkehrsordnung“ – gegenseitige Rücksichtnahme – und das gemeinsame Naturerlebnis stehen unter Erholungssuchenden im Vordergrund.

Das neue Waldgesetz fördert Miteinander und Toleranz in der Natur, statt wie bisher die Unvereinbarkeit einer gemeinsamen Wegnutzung zu suggerieren. Bisher sind Reiter von der gesetzlichen Regelung stark benachteiligt, da sie im Wald auf öffentliche oder in Qualität und Quantität unzureichende, „ausgewiesene Reitwege“ gezwungen werden. Mit der vorliegenden Neuregelung wird diese Ungleichbehandlung endlich beseitigt.

Kein anderes Bundesland verbietet gesetzlich das Reiten auf markierten Wander- oder Radwegen, wie es derzeit in Brandenburg der Fall ist. Ein grundsätzliches Reitverbot auf markierten Rad- und Wanderwegen ist auch in Brandenburg ungerechtfertigt und unnötig.

Brandenburg ist wahrhaftig groß genug für Wanderer, Radler UND Reiter. Es ist also keine Frage, ob es Rad-, Wander- ODER Reittourismus ermöglichen und fördern will. Brandenburg braucht dringend ALLE naturfreundlichen Touristen !

Da Reiten und Gespannfahren nur auf Wirtschaftswegen gestattet ist, bestehen aus Naturschutzsicht keine Bedenken dagegen. In keinem Fall ist es jedoch strenger zu reglementieren als Wandern oder Radfahren.Umweltbildung, Naturschutz und korrektes Verhalten in Feld und Wald sind wesentlicher Bestandteil jeder reiterlichen Ausbildung.

In sensiblen Gebieten ist eine Kanalisierung der Erholungssuchenden auf möglichst wenige Wege wünschenswert, um die übrige Natur ungestört zu lassen. Eine gemeinsame Nutzung markierter und damit lenkender Wege durch Wanderer, Radfahrer und Reiter kann also auch ökologisch durchaus sinnvoll sein.

Die Erfahrungen der täglichen Praxis bestätigen, dass Wildtiere durch Pferde eher weniger beunruhigt werden als durch Menschen, da der starke Eigengeruch des Pflanzenfressers und Fluchttieres Pferd den des Menschen überdeckt. Bis vor weinigen Jahrzehnten machte sich der Mensch diese Tatsache sogar für die Jagd zu Nutze.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir bitten Sie, die Entwicklung des Wirtschaftsfaktors Pferd endlich von seinen gesetzlichen „Fesseln“ zu befreien. Bitte stimmen Sie den vorliegenden Formulierungen im Gesetzesentwurf zu.

Wir bedanken uns und verbleiben
mit freundlichen Grüßen,

Dr. Peter Danckert

Hilke Patzwall

Anlagen:

  1. Gemeinsame Formulierung Pferdeverbände und Wanderverband im Landessportbund
  2. Stellungnahme der Pferdeverbände zum Thema Reiten/Gespannfahren – markierte Wander-/ Radwege auf den offenen Brief einiger Verbände an den Minister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg vom 25.4.2003
  3. Beispiel „Pferdeland Niedersachsen“