Von GuSh

Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten beim Reitunterricht, Garantiehaftung

Sachverhalt:

Die Beklagte E betreibt eine Reitschule. Dort bietet sie Reitunterricht für Kinder ab 2 Jahren an. Auf dem Anmeldeformular befindet sich der Hinweis: „Weiter weise ich darauf hin, dass wir eine gewerbliche Haftpflichtversicherung haben, die in der Regel jegliche Unfälle mit dem Pony oder Pferd abdeckt…“. Auf der Homepage steht, dass der Unterricht für Kinder zwischen 5 und 7 Jahren in kleinen Gruppen von 3 Kindern erfolgt. Der Reitunterricht wird auch von Hilfspersonen erteilt.

Die 5-jährige T hat in dieser Reitschule der Beklagten E an einer Ponyreitstunde teilgenommen. Der Unterricht wurde von der 20-jährigen L durchgeführt. L reitet seit dem achten Lebensjahr. Sie hat eine Reitausbildung und ein einjähriges Berufspraktikum in einer Kindertagesstätte absolviert. Seit mehreren Jahren gibt sie Reitunterricht für Kinder in der Reitschule der Beklagten E.

Bei der Anmeldung zum Unterricht wurde angegeben, dass T zuletzt vor einem halben Jahr auf einem Pony gesessen habe.

Die Ponyreitstunde ist folgendermaßen abgelaufen. Fünf Kinder wurden abwechselnd auf einem Pony an einer 1 -2 langen aufgewickelten Longe im Schritt geführt. Das Pony war mit einer Decke mit Haltegurt versehen. Die Kinder sollten auf Kommando frei sitzend in die Hände klatschen. Gegen Ende der Reitstunde wurde T auf dem Pony geführt, das Pony wurde von der Reitlehrerin L in den Stand gebracht. Sie gab der fünfjährigen T das Kommando in die Hände zu klatschen, dabei rutschte T vom Pony und brach sich den Oberarm. Unklar blieb, auch nach der Beweisaufnahme, ob das Pony noch im Schritt war oder bereits gestanden hat, als das Kommando zum In-die-Hände-Klatschen kam.

Der Bruch musste operiert werden. T macht 5000 EUR Schmerzensgeld geltend, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden.

Die Klage wurde in erster Instanz vom Landgericht Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) abgewiesen.

Die Berufung beim OLG Hamm wurde mit Urteil vom 11.01.2013 zurückgewiesen – Az.: I-12 U 130/12 -.

Begründung:

Es besteht kein Anspruch der fünfjährigen T auf Schadensersatz. Geprüft wurde, ob der Anspruch aufgrund der Formulierung in dem Anmeldeformular (Hinweis auf den gewerblichen Versicherungsschutz) besteht. Danach ergäbe sich eine Garantiehaftung, also eine bindende Übernahmeerklärung für jegliche Reitunfälle, auch die, die verschuldensunabhängig geschehen, einstehen zu wollen.

Das OLG hat einen derart umfänglichen Rechtsbindungswillen in der Formulierung vom Anmeldebogen nicht erkennen können. Es handele sich hierbei vielmehr um einen allgemeinen Hinweis auf einen bestehenden Versicherungsschutz.

Geprüft wurde auch, ob ein Anspruch aufgrund der Tierhalterhaftung besteht. Bei der Tierhalterhaftung haftet der Tierhalter dafür, dass sich in dem eingetretenen Schaden die spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Tiergefahr ist das, der tierischen Natur entsprechende unberechenbare und selbständige Verhalten des Tieres.

Das OLG hat hier die Haftung aufgrund der spezifischen Tiergefahr verneint. Das Pony war nach den Feststellungen der Beweisaufnahme vollständig unter Kontrolle der Reitlehrerin L. Unerheblich war dabei, ob es beim Kommando zum In-die-Hände-Klatschen noch geringfügig in Bewegung war oder schon gestanden hat, denn maßgeblich war allein, dass es genau den Anweisungen der Reitlehrerin gefolgt ist.

Geprüft wurde weiterhin, ob der Anspruch auf Schadensersatz aufgrund der Verletzung einer vertraglichen Sorgfalts- oder Obhutspflicht entstanden sein könnte, also der Verletzung einer sogenannten Verkehrssicherungspflicht.

Danach ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Bei einem Unfall während des Reitunterrichts kann sich der Rahmen der Verkehrssicherungspflichten aus der Art der Übung, dem Alter und der Erfahrenheit von Reitschüler und Pferd, aus den konkreten Umständen des Einzelfalls, aus Warnzeichen in der konkreten Situation sowie aus dem falschen Eingreifen des Reitlehrers oder unterlassener Maßnahmen ergeben.

Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass keine Verkehrssicherungspflicht aufgrund der fehlerhaften Organisation des Reitunterrichts verletzt wurde.

Die Auswahl der 20-jährigen L als Reitlehrerin war nicht zu beanstanden, auch wenn L nicht über eine entsprechende berufliche Qualifikation als Reitlehrerin verfügte, war die langjährige Unterrichts- und Reiterfahrung von L in diesem Fall ausreichend.

Es konnte auch kein Fehlverhalten in der Dauer des Reitunterrichts erkannt werden, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren weder bei dem Pony noch bei den Kindern außergewöhnliche Ermüdungs- oder Überforderungsanzeichen zu erkennen. 

Die Gruppengröße, wenn auch abweichend von den Angaben auf der eigenen Homepage, führte nicht zu einer Gefahrerhöhung und war somit nicht ursächlich für den Unfall und den daraus resultierenden Schaden. Die Reitstunde wurde nur mit einem Pony durchgeführt, damit war die Reitlehrerin jeweils nur für ein Kind zuständig, die Reitübung zu überwachen.

Die Übung selbst, das Auf-Kommando-in-die-Hände-Klatschen, ist nicht grundsätzlich sachwidrig sondern eine übliche Gleichgewichtsübung. Bei der Durchführung der Übung stand das Pony oder bewegte sich noch minimal, die Longe war bis auf 1 -2 Meter aufgewickelt. Anhaltspunkte, dass die fünfjährige T bei dieser Übung vom Pony rutschen würde, was einzig ein direktes Danebenstehen und Festhalten erfordert hätte, waren nicht erkennbar. 

Das OLG hat weiterhin erörtert, ob die Tatsache, dass der Unterricht im Freien stattgefunden hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellte, weil dort der Untergrund härter war als in der Reithalle. Auch das wurde verneint, da man bei der Art der Übung nicht notwendigerweise einen besonderen Untergrund benötigte.

Was sagt uns dieses Urteil?

Eine sogenannte Reitlehrerhaftung tritt nicht zwangsläufig ein, weil jemand keine entsprechende berufliche Qualifikation hat, vielmehr sind die konkreten Umstände des Einzelfalles abzuwägen.