Aus der Rechtsprechung: Schadensersatz für verunglücktes Pferd
Von GuSh
beim Reitturnier wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten
Hier geht es um: Verkehrssicherungspflichten des Turnierveranstalters, rechtliche Beziehungen zwischen Turnierveranstalter und Teilnehmer bzw. Drittem, Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen, Wertbemessung eines Turnierpferdes.
Gefordert 100.000,00 €; in erster Instanz 25.000,00 zugesprochen, nach Berufung 35.000,00 zugesprochen. Nebst Anwaltskosten.
Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer der Stute Fine Kiss. Mit dieser Stute hat seine Tochter T an einer Springpferdeprüfung der Klasse M teilgenommen. Diese Springpferdeprüfung war Teil des Turniers, das von dem beklagten Verein ausgerichtet worden ist.
Das Turnier wurde in der Zeitschrift „Reiter und Pferde in Westfalen“ ausgeschrieben. In den „Allgemeinen Bedingungen“ befand sich die Klausel, dass der Veranstalter keine Haftung für Schäden übernimmt, die aufgrund leichter Fahrlässigkeit entstehen.
Die Stute Fine Kiss wurde vor zwei Jahren vom Kläger für 23.000,00 € gekauft, sie hatte bereits mehrere Platzierungen und einen Sieg in der Springpferdeprüfung der Klasse M.
Am Turniertag wurde der Parcours des M-Springens vom Parcourschef und vom Turnierrichter freigegeben, die Teilnehmer konnten den Parcours besichtigen.
Bei der Besichtigung ist T nicht aufgefallen, dass am Ende des Parcours ein Kombinationshindernis stand, bei dem der Fangständer des zweiten Hindernisses, ein Steilsprung, mit seiner obersten Stange niedriger war, als die oberste Stange des Steilsprunges.
Bei dieser Kombination kollidierte die Stute Fine Kiss mit dem rechten Fangständer, bei dem Versuch diesen zu überspringen.
Aufgrund der Kollision erlitt die Stute so starke Verletzungen im Kniebereich, dass sie trotz sofortiger, längerer Behandlung letztendlich eingeschläfert werden musste.
Der Vater von T, hier der Kläger, verklagte den Verein auf Ersatz des Schadens in Höhe des Pferdewertes von 100.000,00 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Im Vorfeld hatte die Versicherung des beklagten Vereins einen Schadensausgleich abgelehnt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Verein seine Verkehrssicherungspflichten verletzt habe, indem, er durch die Nutzung von ungeeignetem Hindernismaterial eine Gefährdungslage geschaffen habe, die sich in dem Unfall realisiert und zu dem Schaden geführt habe.
Nach Auffassung des Klägers sei der Fangständer zu niedrig. Er ist außerdem der Ansicht, dass dies sowohl vom Parcourschef als auch vom Turnierrichter hätte erkannt werden müssen und da der Verein als Veranstalter und Ausrichter dieses Turnieres die beiden Personen beauftragt habe, müsse er sich auch deren Verschulden zurechnen lassen.
Der Haftungsausschluss wegen leichter Fahrlässigkeit sei wegen des Klauselverbots in „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ nach § 309 Nr. 7 b Bürgerliches Gesetzbuch unzulässig, denn danach darf eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden.
Zum geltend gemachten „Pferdewert“ vertritt der Kläger die Meinung, dass es sich bei der Stute um ein „Ausnahmepferd“ handele und aufgrund der bisherigen Erfolge und wegen der Anlagen mit weiteren höchsten Erfolgen zu rechnen gewesen wäre.
Der beklagte Verein ist dagegen der Meinung, dass es sich bei dem Fangständer um verkehrsübliches Hindernismaterial handele, dass auch in höheren Springklassen verwendet würde.
Da der Parcours vom Turnierrichter und Parcourschef freigegeben worden sei, könne dies dem Verein nicht angerechnet werden, da beide eigenständig gehandelt haben.
Zu dem Unfall ist es nach Meinung der Beklagten aufgrund eines Reiterfehlers gekommen, weil die Reiterin T das Pferd, nachdem ein Überwinden des Steilsprunges nicht mehr möglich erschien, gegen den Fangständer geritten sei und zum Absprung gezwungen habe.
Darüber hinaus habe sich in dem Unfallgeschehen die besondere Tiergefahr verwirklicht.
Beides müsse sich als Mitverschulden der T schadensersatzmindernd für den beklagten Verein auswirken.
Der Rechtsstreit ist durch drei Instanzen gegangen. Klage beim Landgericht Münster, Berufung beim Oberlandesgericht Hamm und Revision beim Bundesgerichtshof.
In allen drei Instanzen wurde die Schadensersatzpflicht des Vereins wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht anerkannt.
Abweichend hat lediglich das OLG Hamm einen höheren Wert des Pferdes festgestellt als das LG Münster.
LG Münster Urteil vom 21.11.2008 Az.: 011 O 207/07, OLG Hamm Urteil vom 25.08.2009 Az.: I-7 U 94/08, BGH Urteil vom 23.09.2010 Az.: III ZR 246/09.
Im Ergebnis wurde also übereinstimmend festgestellt, dass bei der Ausrichtung eines Turnieres zwischen dem Veranstalter und dem Teilnehmer ein Rechtsverhältnis (rechtlich stellt ein Turnier eine Auslobung/Preisausschreiben dar) entsteht, bei dem entsprechende Sorgfaltspflichten, sogenannte Verkehrssicherungspflichten einzuhalten sind.
Der Vater war als Eigentümer zwar der Geschädigte aber nicht Teilnehmer und somit nicht Vertragspartner, wird aber als Dritter in die Schutzwirkung des Rechtsverhältnisses einbezogen, da es üblicherweise so ist, dass die Teilnehmer der Turniere nicht immer die Eigentümer der Pferde sind.
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wurde übereinstimmend bejaht. Nach Darlegungen des Sachverständigen, des Turniertierarztes Dr. S, entsprach der Fangständer in der konkreten Verwendung nicht den Anforderungen an eine geeignete Wettkampfanlage.
Nach der für Reitturniere einschlägigen Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) wird der Aufbau von Hindernissen lediglich allgemein in § 507 geregelt, danach müssen Hindernisse „Achtung gebietend und fair“ sein.
Bezüglich Fangständern und deren Höhe gibt es keine ausdrücklichen Vorschriften mit Ausnahme der Durchführungsbestimmungen zu § 507 LPO , welche unter Ziffer 5 die Verwendung von Fangständern dringend empfehlen.
Nach Auffassung des Sachverständigen entsprach das Kombinationshindernis mit dem Fangständer nicht diesen Anforderungen. Der Sachverständige hat nach Verständnis des Landgerichts anschaulich dargelegt, dass ein Fangständer für das Pferd eine leitende Funktion haben muss. Das Pferd soll durch die seitlichen Fangständer an das Hindernis geleitet werden, dabei soll es wie ein Trichter wirken. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die seitlichen Fangständer höher sind, als das Hindernis selbst, damit das Überwinden des niedrigeren Hindernisses für das Pferd attraktiver ist, als das Springen über den Fangständer, der in seiner Konstruktion fest ist und bei dem sich ein Pferd leichter verletzen kann, als bei einer lose aufliegenden Stange.
Der Reiterin T konnte beim Sprung der Kombination letztlich kein Reiterfehler nachgewiesen werden, der eventuell schadensersatzmindernd angerechnet worden wäre. Allerdings hat, zumindest das Landgericht Münster diesen Umstand als wertmindernden Faktor bei der Bemessung des „Pferdewertes“ angesehen, da das Verweigern des eigentlichen Sprunges dann wohl in der mangelnden Ausbildung oder fehlenden Veranlagung des Pferdes liegen muss. Nach den der schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen, handelt es sich hier zwar um ein hochklassiges Turnierpferd aber nicht um ein „Ausnahmepferd“. Diese Bewertung lassen die durchschnittlichen Turniererfolge der Klasse M zu. Erwartungen des Eigentümers in zukünftige, höhere Turniererfolge stellen keinen wertsteigenden Faktor dar.
Die eigene Tiergefahr des Pferdes wurde hier nicht im Rahmen des Mitverschuldens anspruchsmindernd berücksichtigt. Grundsätzlich wirken bei einem Unfall mit zwei Tieren die jeweiligen Tiergefahren anspruchsmindernd, so dass es meistens zu einer Quotelung kommt. Hier liegt der Fall aber anders, wenn der Schaden aufgrund einer schuldhaften Verletzung einer z.B. Verkehrssicherungspflicht eingetreten ist, wirkt sich die Tiergefahr des verletzten Tieres nicht anspruchsmindernd aus, das ist ständige Rechtsprechung des BGH.
Von der somit festgestellten alleinigen Haftung des Vereins konnte er sich auch nicht durch die Klausel „Keine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit“ freizeichnen, zumindest nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Für seine von ihm beauftragten Hilfspersonen, hier der Parcourschef und der Turnierrichter, haftet er wie eigenes Verschulden.
Was sagt uns dieses Urteil?
Viele von uns veranstalten kleinere oder größere Wettkämpfe, Turniere oder einfach nur Spaßritte jeglicher Art.
Hier trifft uns schnell eine Haftung aufgrund der Verkehrssicherungspflichten, die wir oft nicht vollständig überblicken können.
Es zeigt sich auch immer wieder, so dumm kann man gar nicht denken, wie es dann kommt.
Hiergegen kann man sich eigentlich nur schützen, indem Sicherheit die oberste Priorität hat, ggf. auch Personen oder Tiere ausschließt, von denen eine erhöhte Gefahr ausgeht, qualifiziertes Hilfspersonal einsetzt (hilft nicht immer wie man gesehen hat) und dass man eine gute Veranstalterversicherung hat.
Inwiefern die Haftpflichtversicherung des Vereins in dem vorbesprochenen Fall dann doch einstehen musste, entzieht sich meiner Kenntnis, vermutlich ja. Der Umstand, dass sie vorgerichtlich nicht zahlen wollte, liegt wohl daran, dass sie den Klageausgang abwarten wollte.
Noch eine Anmerkung zur Frage der Ethik. Bei all den hin- und her Rechnereien zum „Pferdewert“ und der Frage des Schadens, konnte ich bei meinem Bemühen, den Rechtsstreit möglichst sachlich zu schildern, leider nicht zum Ausdruck bringen, dass den größten Schaden wohl das arme Pferd hat und dessen Wert einzigartig ist.