RitteRückblick

Der 5. Havellandkurier

Text: Erik Heinrich
Layout: Alexander von Gersdorff

(das Original als PDF findet ihr hier)

– Ein Heißer Ritt –

21.07.2012 – 27.07.2012

(Death Valley Sommerfrische dagegen)

Wie, schon wieder ein Havellandkurier, der fünfte inzwischen? Ist das nicht öde, schnöde, blöde, langweilig? Nee, du, kann ich schon mal vorweg sagen, nicht die Bohne. Langeweile kam wohl bei keinem Teilnehmer zu keinem Zeitpunkt auf. 

typische Havellandschaft

Denn erstens hat die Organisatorin Susanne von Gersdorff (im folgenden als „Susanne“ bezeichnet) den Ritt abermals einem totalen Relaunch unterzogen, ihn also mit anderen Streckenabschnitten, verbesserten Quartieren und neuen „Erlebniswertsteigerungen“ (nur mal die jahrhundertealten Eichenriesen im verwilderten Gutspark Senzke als Beispiel) aufgemöbelt. Und zweitens ist eine neu gemischte Gruppe auch ein neues zwischenmenschliches Abenteuer. Um es vorweg zu sagen: Sehr nette Teilnehmer, gutes reiterliches und kameradschaftliches Niveau, einmal von den üblichen kleinen gruppendynamischen Krisen abgesehen, die jedoch alle glimpflich ausgingen. 

Gibt es einen Wanderritt bei perfektem Wetter? Ja, so häufig wie ein rittiges Flusspferd. Tatsächlich verfügt Rittführer Christian über ein solches Wundertier, mit dem er (im letzten Leben übrigens Testpinguin, näheres erläutert er auf Anfrage gerne) schon am zweiten Nachmittag – flankiert von Tuschi und Carolin nebst Pferden – ein Vollbad in der Havel nahm. O-Ton: „Ist das geil!“

Nun aber von Anfang an! Treffpunkt „Big DD Ranch“ in Steckelsdorf bei Rathenow, Samstag, 23. Juli, nachmittags. Auf der geräumigen Weide wächst Paddock an Paddock, Zelt an Zelt, ein Nomadendorf entsteht. Alte Freunde begrüßen sich, neue Bekanntschaften werden geschlossen. Nach gründlichem Abendessen und der traditionellen Begrüßung und der Vorstellung des Teams durch Susanne entfacht Rancher Hartmut das erste in einer Serie allabendlicher Lagerfeuer. Die Flammen knistern wie die Vorfreude der MitreiterInnen, vermischt mit dem Kribbeln ängstlicher Erwartung.

Gleich der erste Tag, Sonntag, bietet den Teilnehmern, die in zwei Reitgruppen, einer Prüflingsgruppe (fünf zukünftige Rittführerinnen plus Birgit), in zwei Paaren und auf einem Gespann mit zwei Kutscherinnen unterwegs waren, lockere Waldwege und (ja, leider geht es nie ganz ohne) ein Stück Asphalt am Vormittag sowie Deiche ohne Ende am Nachmittag, die zu ausgiebigen Galopps einladen. 

unsere diesjährigen angehenden Rittführerinnen

Immer flussabwärts an der sanft und bräsig durch ihren Schilf- und Strauchgürtel fließenden Havel entlang, deren Blau sich mit dem des Himmels und dem Weiß der Schäfchenwolken zu immer neuen Mustern mischt. Dann: Ein Storch im Tiefflug zieht seine elegante Bahn durch das Bild. Pathetisch? Elegisch? Kitschig? Ja. Aber schön! Und dabei habe ich nicht einmal die verschwenderische Üppigkeiten der blühenden Wiesen erwähnt mit buntem Klee, Blutweiderich, Kuckuckslichtnelken, Hahnenfuß, Weideröschen, Rainfarn, an den Rändern Sumpfkratzdisteln. Und dabei habe ich noch nicht mal die farbenprächtigen Siedler der trockeneren Wiesen und Wegränder erwähnt… Dann wieder Mähwiesen, auf denen das Heu in dicken, duftenden Schwaden zum Pressen bereitliegt. Vor hundert Jahren, als alle Welt sich noch zu Pferde bewegte, machte dieses Havelheu, über Havel und Elbe nach Berlin und Hamburg geschifft, die Bauern reich.

Wir sind auf dem Weg über das bezaubernde „Hafenstädtchen“ Garz bis zur Havelbrücke, die Sachsen-Anhalt, „Land der Frühaufsteher“, mit der Zivilisation verbindet. Auf der Brandenburgischen Seite treffen wir im reizvollen Strodehne bei unseren Gastgebern, der Familie Schwuchow, ein. Der Nachmittag vergeht mit Bad in der Sonne oder Havel, oder beides, der Abend bringt Pizza und Kaltgetränke am Lagerfeuer und Rückblicke auf einen Traumtag.

Erwähnenswert zum Beispiel der herrliche Platz für die Mittagsrast im Café am See in Schollene (übrigens sucht dieses Lokal an einem wunderschönen Aussichtspunkt einen neuen Besitzer und Pächter!).

Der darauffolgende Montag führt uns wieder über Deiche am Ornithologen-Mekka Gülper See entlang über Rhinow nach Stölln. Wir binden die Pferde am Rande des ältesten Flugplatzes der Welt an, wo nämlich Otto Lilienthal etliche seiner Flugversuche vom100 Meter hohen Gollenberg startete – leider auch seinen letzten, bei dem er tödlich abstürzte.

Was ist denn das für ein ungewähnlicher Vogel?

Die Landung einer Iljuschin 62 der DDR-Linie Interflug auf der Rumpelwiese zu Füßen des Gollenbergs im Jahr 1989 gelang dem Piloten zum Glück besser; der Flieger steht zu Ehren Lilienthals seither vor Ort, was schon recht skurril aussieht. Die Reiter freuen sich schon seit dem Frühstück auf den legendären Kaiser- schmarrn, den es im „Schwalbennest“ geben soll. Nun stellt sich heraus: Kaiserschmarrn ist gar nicht auf der Karte. Stand auch nie drauf. Eine Legende. Der Wirt führt die Legende weiter und zaubert ca. 15 Portionen herbei und hält sogar für jedes Pferd eine Möhre bereit.

Dann geht es an den Deichen des Rhinkanals entlang und auf teils verschlungenen Wegen mit leichtem Amazonas-Flair um den Dreetzer See (mit schöner Badestelle, leider auch einem Schild mit durchgestrichenem Pferd) in den Dreetzer Wald hinein. Unheimlich, im südlichen Teil des Forstes, die bröckelnden Pisten aus Reichsbeton, die zylindrischen Betonzellen, einst Zugänge in die Unterwelt, die Hügel aus überwachsenem Schutt. Es sind die Überreste einer gewaltigen Munitionsfabrik, die sich im Krieg unter dem Wald verbarg. Später aber, auf den anderen Waldwegen, lässt sich auf weichem, halbhohen Gras galoppieren.

Das heutige Etappenziel ist der Eichenhof der Familie Orgis. Camping auf einer weiten Wiese; auf der einen Seite wiehern edle Shagya-Araber-Hengste, auf der anderen schlendern Ungarische Steppenrinder durch die Weiten von Wutzetz im Abendlicht. Die Geschichten und Anekdoten des Tages werden wieder am Lagerfeuer, gleich neben der mongolischen Jurte, ausgetauscht. Karsten Orgis erzählt, wie vor vielen Jahren eine Jungpferdeherde ausbrach und genau auf der Bahnlinie Richtung Hamburg unterwegs war. Warum mögen Pferde ausgerechnet Bahndämme so gerne? Ein Anruf bei der Polizei, Alarmierung der Streckenaufsicht und der Zugverkehr wurde gestoppt, bis die Pferde wohlbehalten von den Gleisen geborgen waren.

Unsere Pferde stehen gut gesichert und müde mampfend auf den Paddocks. Einige Teilnehmer ziehen sich mit ihrem Handys zum Telefonieren in die Zelte zurück, was ein wenig beknackt ist, denn die Zelte wirken eher wie Schalltrichter als geräuschdämpfend.

Frühstück und Abritt am Dienstag, dem dritten Reittag, gehen wie immer zügig und fast beängstigend diszipliniert, aber ohne Hektik vor sich. Zeitiges Abreiten sichert die schönsten Plätze in feinster Natur. Es lohnt sich, denn am Vormittag steht eine göttliche Waldstrecke bevor. Fliegende Pferde und von den Reitern fliegen Stress, Sorgen und Probleme davon.

Es soll uns an nichts fehlen

Mittlerweile ist es heiß im Havelland, es geht auf die 30°-Marke zu. Aber die gute Picknick-Versorgung mit Obst, kühlen Getränken, Milchreis und anderem sorgen vor gegen Dehydrierung und Energieverlust. Wasser und üppig stehendes Gras für die Pferde! Auch an diesem Tag kommen alle Huftiere und Zweibeiner gut an. Die Pferde machen zur Halbzeit durch die Bank einen frischen und zufriedenen Eindruck. Das sollte sich übrigens auch in der zweiten Hälfte nicht ändern. Wir konnten mal wieder erleben, dass die Steppennomaden, aus denen unsere Reitpferde, Ponies, Warmblüter, Quarter, Anglo- Shagyaoder reine Araber, sogar ein Kaltblut gezogen sind, dazu geschaffen wurden, 30 oder 40 Kilometer am Tag zurück zu legen.

Es macht Spaß zu sehen, wie die Pferde von Tag zu Tag nicht abbauen, sondern aufleben. Sofern die Reiter sie nicht stören durch falsche Ausrüstung oder ungünstigen Sitz. (Und natürlich zwischendurch, vor allem wenn mal Asphalt kommt, auch mal ein paar Kilometer führen.) Dann galoppieren auch hitzige Pferde gelassen, locker, schwungvoll aber kontrollierbar kilometerweit über abgemähte Wiesen, immer eine Handbreite Luft unter den Hufen.

Oder im Schlussspurt am Saum der Start- und Landebahn unseres nächsten Abendziels, dem Flugplatz Bienenfarm, vorbei an spielerisch durch die Luft tobenden Milanen. Und dann sind immer noch ein paar hundert Meter Wiese übrig zum Trockenreiten im Havellandwind, der hier fast rund ums Jahr durchpustet. Oh wie köstlich der Komfort, kühle Pferdedusche, heiße Menschendusche (ganz exklusiv im „Pilotenzimmer“), Terrassenplatz unterm Sonnenschirm und delikate Erfrischungen, ich sag mal’n Beispiel: Sanfter Engel (Orangensaft, Eiskugel). 

Schnelle Reiter sitzen schon dort, entschleunigte Reiter treffen ein, zu guter Letzt das zauberhafte Gespann: zwei reizende Shettie-Jungs, kleine Hufe, großes Herz und der Klang der Glöckchen am Geschirr harmoniert mit dem glockenhellen Gelächter der beiden Kutscherinnen Maren und Christa. Zwei Shetlandponys können durchaus Fahrtwind erzeugen, man sieht’s an dem flatternden VFD-Fähnchen.

Auf der Terrasse ist Muße zum plaudern, z. B. über was alles scheußlich ist am Zelten. Hundert Dinge wären da aufzuzählen, unter anderem, man muss sein zu Hause täglich auf- und abbauen, man muss sich bücken, um ins Bett zu kommen, usw. Aber all diese Umstände und Unbequemlichkeiten, auf die man zuweilen flucht, meint Stefanie, sind schon drei Tage nach dem Ritt vergessen und dann fängt schon wieder die Sehnsucht auf die nächste Tour an. Achtung: Reitwandern macht süchtig!

Wenn unterdessen auf dem Zeltplatz jemand ruft: Wo ist der Mistboy?! Dann ist damit nicht etwa Personal gemeint, wie Reiter es einst zu haben pflegten, sondern eine Schaufel an kurzem Stiel, auf die man mittels einem Fächerbesen (auch Rechen genannt) die Mist-Murmeln zieht oder schiebt. Dabei hat sich folgende Technik bewährt: Man baut sich in etwa in Golfhaltung auf, die offene Seite der Mistboy-Schaufel zum Pferdehaufen hin, knickt dann im Spielbein ein, den Fuß als Stopper unten und das Knie an der Stange vom Mistboy, um mit beiden Händen am Fächerbesen genug Druck einsetzen zu können, um die Bollen auf die Schaufelfläche zu schieben.

Alternativ kann man auch beide Füße in Charlie Chaplin-Positur gegen die Boy-Schaufel drücken und den Boy-Griff im Schritt festhalten. Obacht! Leicht schleudert man einen Pferdeapfel hoch, der dann vom Körper abtropft, mit etwas Glück in den Mistboy. Meistens hat man Pech. Beide Haltungen übrigens machen nicht bloß keinen Spaß, sondern sehen darüber hinaus bescheuert aus.

Solche Nicklichkeiten geraten am kommenden, dem vierten Ritttag (Mittwoch), rasch in Vergessenheit. Die endlosen Luchwiesen, die weiten Blicke und dann wieder die verschrobenen Dörfer und die verschreberten Gärtchen. Auf die Örtchen der Havellandrunde ließe sich ein Rap rappen: Steckelsdorf, Grütz und Garz, Schollene Strodehne, Gollenberg und Zootzen; Paulinenaue, Wagenitz, Senske und Pessin; Mützlitz, Gräningen, bloß nicht Kotzen.

Die Vogelwelt, entlang dem langen, langen Großen Havelländischen Hauptkanal und dem auch nicht gerade kurzen Ersten Flügelgraben ließe Vogelkundler schluchzend in die Knie sinken. Kibitz-Schwärme kapriolen durch die Luft, Graureiher kurven über den Fischgründen, Fischadler auch; Teichrohrsänger trällern aus dem Schilf oder Schilfrohrsänger vom Teich und viele Statisten mehr wirken an dem Schauspiel mit, während Kraniche von weither trompeten. Als wir passieren, bringt eine Schwanenmutter die Küken im Schilf in Sicherheit, einer, noch ein Schwan paddeln gelassen weiter im Kanal, als wir ihnen entgegenkommen; aber der dritte steigt auf und zieht die anderen mit und jetzt schlägt der ganze Schwarm von 6, 8 Schwänen die Schwingen mit lautem rhythmischen Quietschen und steigt langsam auf, um eine majestätische Runde über unseren Köpfen zu drehen.

Es ist heiß an diesem Mittwoch. Verdammt. Sengend. Heiß. Und es gibt wenig Schatten an diesem Nachmittag. Wir machen es, wie Susanne es am Vorabend angeraten hat: Trinken, trinken, trinken und bei jeder Gelegenheit die Pferde tränken (auch Pfützen sind gut) und Nüstern, Hals, Bauch mit kühlem Wasser abschwämmen. Das Team richtet eine zusätzliche Pausenstation mit Getränken für Rosse und Reiter ein und das ist auch gut so!

heißer Ritt bedeutet: kühlen, kühlen, kühlen…

Tja, Reitwandern in Zeiten des Klimawandels. Natürlich gab es auch früher heiße Sommertage mit 33, 34°. Doch die Extrema nehmen zu. Das Pferd ist sehr anpassungsfähig. Der Mensch auch.
Schließlich treffen alle Pferde und Menschen wohlauf am Ziel, dem Nennhof in Gräningen, ein. Obwohl: die Pferde machen einen deutlich frischeren Eindruck als die Reiter.

Nun, was die ReiterInnen betrifft: Selbstgebackener Käsekuchen, am Abend ebenfalls selbst gefertigte köstliche Pizza und Kaltgetränke, bevorzugt Bier, helfen! Manche Teilnehmer verbringen den Rest des Tages in dem kleinen, sauberen Pool.

Selbstverständlich ist auch in diesem Jahr die „Bar Zum Letzten Hänger“ und ihr reizender Gastgeber Andreas Dreh- und Angelpunkt des Lagernachtlebens – jetzt neu! – mit Solarlämpchen-Beleuchtung an den Heringen der Abspannleinen des Vordachs! (Wer da noch stolpert, hatte zu viel „Jagdtrost“.)

Pool und Strandkorb sind auch bevorzugte Ziele am kommenden Pausentag, Donnerstag, den wir auf dem Nennhof verbringen. 
Gestern: Natur-Hammer. Heute: Over-Chill! Selten so krass erholt. Gutes Frühstück, Mittagessen nach Wahl und Lust und am Abend der beste vegetarische Burger, den ich je gegessen habe. Übrigens, etwa die Hälfte der Rittteilnehmer mag außer ihrem Pferd auch andere Tiere und isst sie deshalb nicht. Zugegeben, die Pointe gehörte allerdings Christian, der trocken bemerkte: „Bei den Indianern ist „Vegetarier“ nur ein anderes Wort für „schlechter Jäger!“ (Obwohl er seine Buletten glaube ich auch nicht im Wald erlegt.)

Am Pool trifft man auch oft die beiden süßen Kinder der Gastgeberfamilie, Frederik und Lea. Frederik spritzt gerne die Gäste nass. („Frederik, du bis ganz schön frech!“ – „Das ist ja gerade das tolle an Kindern, dass sie so frech sind!“) Die Reitgruppen ver- und zerstreuen sich und finden sich neu in lockerem Spiel.

Manche fahren Kanu auf der Havel, andere verzichten auf das Klettern mit Pferden in der Kiesgrube (zu heiß!), wieder andere machen einen kleinen Waldritt (wie wir, dieser wunderschöne Wald!) Samantha findet eine Bremsen-freie Lichtung im grünen Tann, lehnt sich an einen Baum mit guter Aussicht und sie und ihr Pferd dösen friedlich tête à tête. (Bremsen, warum heißen die eigentlich Bremsen, sie müssten eigentlich „Beschleuniger“ heißen, denn sie machen unsere Pferde an den Ritttagen ganz schön juckig. Silvia, du weißt, wovon ich rede, nicht wahr? Das Herkunftswörterbuch weiß, dass Bremse von dem mittelhochdeutschen und inzwischen verlorenen Wort „bremen“ für brummen stammt.)

Am nächsten Morgen, Freitag, geht es weiter, weiter und wir reiten bis zum Horizont, ja ja wir reiten! Trotz nächtlichen Wetterleuchtens bleibt es heute noch sonnig. Das stört uns nicht auf den wunderschönen beschatteten Waldwegen, durch Mischwald aus Kiefern, Eichen, einigen Buchen, vorbei am Moor (der einstige Weg durch den Sumpf, den wir vor zwei Jahren reiten konnten, ist inzwischen untergegangen).

Dann geht es wieder zur Havel, unserem Leitstrom, leider viel über Straßen durch das am Freitag Mittag belebte Premnitz. Doch unsere Pferde reagieren inzwischen mit großer Gelassenheit auf keuchende LKW und rasende Handwerker.

Picknick: Alles was das Herz begehrt

An der Havelbrücke von Milow halten wir Mittagsrast mit Picknick und herrlich erfrischendem Bad in der Havel. Und Endspurt! Noch ein paar Kilometer, dann lassen wir Landstraße und Wirtschaftswege hinter uns und münden auf der langen, langen „Landebahn“ dem schnurgeraden Waldweg durch die Kattenberge, den die Pferde willig und munter im Galopp unter die Hufe nehmen. Ja, Glückshormone, kommt noch einmal rüber! Eine Stunde darauf landen die ReiterInnen erschöpft, aber glücklich am Start- und Zielpunkt DD-Ranch Steckelsdorf.

Alle kamen an! Auch die drei Wanderritt-Anfängerinnen Verena mit Pferd Luna und Hund Bahiya. Ausnahmen: zwei Reiterinnen, die eh nur die Hälfte des Rittes geplant hatten (Heikes Okapi und auch Elfis Kaltblut hätten die zweite Hälfte gewiss locker geschafft, letzterer hielt stramm mit, auch wenn eine schön eingeflochtene Mähne noch keinen schlanken Hals macht). Eine Reiterin musste wegen Müdigkeit aufgeben und eine, Tinatin, deren Pferd lahmte. Solidarisch beendeten auch die beiden Freundinnen Kerstin und Heike den Ritt am vorletzten Tag, auch einer der beiden bewundernswerten horse-gentlemen, Walter, machte hier einen Punkt. Es ist ja auch schön und vorbildlich, lieber Schluss zu machen, als seinem Pferd oder sich selbst eventuell zu viel zuzumuten. Der andere hingegen, Christof, fit wie ein Turnschuh, lenkte sein Riesenross Rondo (1,82 Stock) auch noch am letzten Tag ins Ziel.

Die meisten Reiter suchten am Nachmittag den Tempel der Speiseeiskultur, Eiscafé Schwarz auf, um sich mit Leib und Seele an den Köstlichkeiten des Eisdealers zu erbauen. Und alle saßen am Abend wieder am Lagerfeuer, um sich noch einmal gegenseitig die Abenteuer der vergangenen Tage haarklein zu berichten, neue, aufregende Ritte zu planen, Babsens holdem Gesang und Klampfenspiel zu lauschen oder selbst die Stimme mehr oder wenig harmonisch zum gemeinsamen Gesang zu erheben (zu den harmonischeren gehörte unbedingt Marianne, zu den originellsten und ebenfalls wohlklingenden Beate). Der Hit des Abends war eine umgetextete Version von „Was wollen wir trinken?“: „Wo wollen wir Reiten?!“ Dass das eine Vergnügen das andere nicht ausschließt, können die meisten von uns nach Selbstversuch bestätigen.

Der Veterinärcheck am nächsten Morgen beweist noch einmal, wie gut die Reitwanderung den Pferden tat – alle o.k.! Dazu gibt es Tipps und freundliche Worte von Barbara (= Babs), die als Tierärztin, Rittführerin, Sängerin und Mutter wieder ihr Multitaskingtalent bewies.

Natürlich sind wir bei Abschied und Abreise alle sentimental, aber das ist eben so: post coitum omne animale triste – nach dem Höhepunkt kommt Traurigkeit. Schätze, eine Mehrheit von ca. 100% freut sich schon tierisch auf den nächsten Havellandkurier!

Im übrigen waren wir alle dankbar, dass das Abenteuer gut ausgegangen ist, was wir nicht zuletzt Organisatorin Susanne verdanken, unterstützt von ihrer Schwester Stefanie, den RittführerInnen Babs, Sabina („Hexe“ – danke für die Showeinlage, es gelang ihr, sich selbst so weit fort zu hexen, dass von ihr und ihrem Pferd nur noch der Hut zu sehen war; nur böse Zunge sagen, es lag am Graben) und Christian; sowie Birgit, die wieder mit großer Geduld und Beharrlichkeit daran arbeitete, den Nachwuchs an RittführerInnen sicher zu stellen und nicht zuletzt der Trossmannschaft, die an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kaum zu überbieten war, bestehend aus Janine, Alexander und Andreas. Ohne euch wäre es nicht gegangen!

Und noch ein paar Namen, Daten, Fakten mehr:

  • Unterwegs waren: 24 Pferde mit ReiterInnen, ein (2er-)Gespann, zwei Trossfahrzeuge, zwei Hunde und ein lonesome-Blechesel-Rider (brawo Rainer!).
  • Wir haben, so ganz nebenbei im Laufe des Rittes, fünf neue Wanderrittführerinnen unter uns: Caro, Rosi, Sabine (beim Reiten, weil nur die Hälfte der Arme der Armen intakt, zum Teil vertreten von Lisa), Tinatin und Tuschi. Herzlichen Glückwunsch!
  • Von den 26 teilnehmenden Pferden waren fünf über 15 Jahre alt, fünf sogar über 20 Jahre! Auch unter den Reitern waren einige deutlich jenseits der midlife-crisis!
  • Wir machten (kleine Umwege nicht eingerechnet) 200 Kilometer an fünf Reittagen!

Ja, das war sehr ausführlich und manchmal etwas blumig, aber das hat dieser Ritt auch verdient!