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Meine Weihnachtsgeschichte, wie sie das Leben heute schrieb:

Von M.A.

Ich beginne den Tag mit Pferdeversorgen (natürlich!). Dafür versuche ich ins Auto zu steigen, aber die Tür ist zugefroren und ich brauche mehrere Anläufe. Als ich drinsitze, kann ich nicht rausgucken. Die Scheiben sind fest zugefroren. Ich versuche es mit dem Eiskratzer -zu hart! Dann nehme ich das Enteiserspray, eigentlich zu umweltschädlich, aber hilft ja nix, die Pferde müssen zügig besucht werden und nicht irgendwann. Das Spray taut das Eis einigermaßen auf, aber weil es so kalt ist, friert die Masse bald wieder in Schlieren und man kann sie schlecht wegwischen. Innen sind die Scheiben auch beschlagen, also auch innen das Spray und wildes Gewische. Stinkt. Obwohl ich Leute verachte, die ihren Motor warmlaufen lassen -erstens natürlich wegen Abgas aber zweitens auch weil davon der Motor verschleißt-, mache ich das heute ausnahmsweise doch. Die Lüftung läuft auf höchster Stufe und endlich ist die Scheibe so weit aufgewärmt, daß man halbwegs rausgucken kann. Also drücke ich auf den Sender für den Toröffner, um endlichendlich! loszufahren. Leider ist die Spindel eingefroren und das Tor öffnet sich nicht. Ich muß die Mechanik aushängen und mir dabei die Finger schmierig machen.

An der Wiese angekommen will ich das Zahlenschloß öffnen um durch das Tor zu können. Leider sind alle 5 Ringe zusammengefroren, sodaß sich die Nummer nicht einstellen läßt. Ich muß das Tor aushängen und freue mich, daß ich nicht wie überall sonst das Aushängen durch Umdrehen der Angeln unmöglich gemacht habe. Glück muß der Mensch haben! 

Die erste Amtshandlung bei Ankunft ist immer, das Weidezaungerät auszuschalten, damit ich überall hinkann ohne eins gewischt zu kriegen.  Heute nicht! Der Knopf läßt sich nicht drücken, weil er in seiner Position festgefroren ist. Also knipse ich die Klammer vom Zaun und lege sie daneben, natürlich nicht ohne Stromschlag, denn die Isolierung ist lückenhaft. 

Als erstes lasse ich den Heucobsfresser zu seinem Futter, das ich gestern angegossen habe. Er hat zwar zu tun um die oberste gefrorene  Schicht durchzubeißen, aber die Schneidezähne sind ja noch gut und er mümmelt zufrieden. Sein Wasser hat natürlich eine 5cm dicke Eisschicht, aber mit dem Fäustel geht es einfach. 

Neben dem Paddock steht eins von Nachbars Schafen. Es hat sich verirrt und will zu seinen beiden Herdenmitgliedern zurück. Immer kommen die Viecher unterm Zaun durch zu mir und gucken, was es hier zu fressen gibt. Also Nachbarn schöne Weihnachten gewünscht und Bild vom Schaf geschickt. Er antwortet auch gleich und verspricht, sich zu kümmern. Macht er auch. Braucht aber eine Weile, bis er das Leck in SEINEM Zaun gefunden hat, das Schaf zurücklockt und den Zaun mal wieder provisorisch repariert. Bis zum nächsten Mal, Schaf! 

Dann befreie ich das Rehepony aus dem Paddock, in dem es nachts vom andauernden Fressen abgehalten wird und nur Stroh bekommt. Auch zufrieden… ODER? Nee! bei näherem Hinsehen fällt mir auf, daß alle Pferde ratlos in der Gegend rumstehen und keins frißt. Das eine Heunetz ist fast leer, keiner nimmt das letzte Häufchen. Der andere Ballen ist noch komplett. Gestern kam gut Wasser von oben und hat die Heunetze durchnäßt. Nachts sind sie eingefroren, sodaß sie jetzt wie ein festes Gitter sind und da kann man natürlich nicht draus fressen. Netze abnehmen entfällt auch, weil sie in ihrer Form am Heu festgefroren sind und auch vom Boden nicht abzukriegen sind. Also neuen Ballen aufmachen und loses Heu füttern. Mehrere Heugabeln zu den Pferden schleppen und unterm Zaun durchstopfen. 

Du liebe Zeit, was ist DAS denn?! Die untere Litze ist ja an 2 Stellen gerissen! Das kommt wohl nicht von der Kälte, aber muß trotzdem schnell repariert werden, sonst gehen die Damen und Herren Pferde auf eigene Faust Futter suchen. 

Aber erstmal noch die Heulage für die Allergiker servieren. Macht auch keinen Spaß, wenn der Ballen eisbedeckt ist und die Finger inzwischen richtig kalt sind. Geht aber. So, jetzt fressen alle. 

Nun muß ich aber den Bauwagen aufschließen, denn da ist das Extrafutter für die 30jährige Haflingerin drin. Und die Reiter müssen ja an die Sättel kommen. Na klar, das Diskusschloß ist auch gefroren und läßt sich erst aufschließen, nachdem ich die Wärme von meiner Hand ins Schloß und die Kälte aus dem Schloß in meine Hand getauscht habe. Das Türschloß zickt zum Glück nicht rum, nur die Scharniere geben einen Ton ab als wollten sie zerbrechen. 

Wasser? Kein Problem, gestern abend habe ich gelesen, daß es frieren soll und deshalb so viel Wasser aus dem Wasserwagen, der nachmittags mal kurz aufgetaut war, in die Wannen gelassen, daß ich jetzt aus dem Vollen schöpfen kann und nicht noch Kanister holen muß. Eis wird überall aufgebrochen und abgeschöpft, damit das Wasser wenigstens eine Weile flüssig und erreichbar bleibt. 

Inzwischen ist die Stallchefin gekommen (WAAS – schon so spät?), die mir immer sehr hilft, und deshalb diese Bezeichnung verdient. Sie putzt ihr Lieblingspferd (ein Kaltblut, das im falschen Körper geboren ist und sich für ein Rennpferd hält) und das supercoole Westernpferd für die Mitreiterin, die auch bald eintrifft. Das paßt, die vier kann ich unbesorgt losschicken. Alle anderen haben abgesagt. Ist ja Weihnachten, da reitet man doch nicht. 

Ich sehe, daß die Heufresser nicht nur fressen sondern auch verteilen und betreten. Also nehme ich die Freßgitter von den gefrorenen Ballen und schleppe sie zum Zaun, wo ich sie aufbaue, damit nur gefressen aber nicht verwüstet wird. Derweil reiten die beiden los. 

Ich bin froh, daß sie ohne mich klarkommen und ich dadurch Wichtiges erledigen kann: Ich befreie noch mehr Wasserwannen vom Eis und fülle die Wannen bei allen Pferden auf, fege routinemäßig die Heucobs zusammen, die aus dem Trog geflogen sind durch zu stürmisches Fressen, repariere die Zäune (ohne Handschuhe, weil Draht sonst nicht zu knoten ist), bringe noch mehr Heu und Heulage in die Freßgitter. Dann müssen die auch noch befestigt werden, weil sie sonst auf der Suche nach den besten Hälmchen gegen den Zaun geschoben werden. Also Ketten holen und an Zaunstielen festmachen, wo kein Zaunstiel steht, Bodenanker einschlagen. Das geht komischerweise, so gefroren ist der Boden in der kurzen Zeit noch nicht. 

Als ich endlich alles im Griff habe, kommen die Reiter zurück. Kaltblut erschreckt sich tierisch vor dem ausgehängten Tor, das völlig anders aussieht als sonst immer. Reiterin steigt ab und geht vor, Pferd folgt bedenkenlos. Gut gemacht! Die Mädchen sind nur mäßig eingefroren, offenbar hatten sie Spaß und einen schönen Ritt. 

Ich habe 3 Stunden gebraucht um die Pferde zu versorgen, was ich sonst morgens in einer Viertelstunde schaffe. Nun kann ich nach Hause fahren und Kaffee trinken und mich aufwärmen. Mittags hilft meine Tochter schnell, das Tor einzuhängen. Das Schloß ist in der Sonne aufgetaut und kommt zum Trocknen mit nach Hause. 

Das sollte eigentlich reichen. Aber dann: Abendfütterung. Heucobsfresser zurück zu den anderen, Rehepony rufen, mit Apfel belohnen und einsperren. Wasser, Heu und Heulage nachfüllen, Heucobs mit nach Hause nehmen, auf der Koppel angießen hat keinen Zweck. Endlich Feierabend, Hände auftauen und Weihnachten mit dem Familienbesuch! Zuhause stelle ich aber fest, daß das Telefon nicht zu finden ist. Im Auto? Fehlanzeige? Jackentasche? Auch nicht. O mann, ist es mir beim Wasserschöpfen aus der Tasche ins Wasser gefallen? Mein Sohn begleitet mich mit seinem Telefon und ruft meins an. Es klingelt zwar bei ihm, aber wir hören mein Telefon nicht. Dann ist es besetzt. Später muß es ausgegangen sein, der Teilnehmer ist nicht zu erreichen. Jetzt können wir es nicht mehr orten. Na toll! Mit der Taschenlampe auf der stockdunklen Wiese tappen wir zwischen Wasserwannen, Heuballen und Heulageballen hin und her, bis ENDLICH: Da ist es! Nein, nicht unter Wasser sondern unter Heu. Das arme Ding ist völlig unterkühlt und will schnell nach Hause ins Warme. Dort schalte ich es ein und stelle fest, daß alle Widgets vom Bildschirm verschwunden sind. Jetzt ist wohl der Zeitpunkt für einen Totalreset gekommen. 

Aber das mache ich morgen, denn für heute reicht´s mir.