Oster-Ritt vom 2. bis 6. 4. 2015
Von Marion Sieg
Bilder: Christian Frasch
Wer ist heute noch spontan? Christian. Er rief 14 Tage vor Ostern bei mir an: „Marion, was würdest du davon halten, wenn ich Ostern bei Euch verbringe und wir ein paar schöne Ritte in Friedersdorf machen?“ Gesagt- getan, wenn man weiß, was den Gast erwartet, ist die Vorfreude noch größer. Wir hatten eine der hübschen Ferienwohnungen gebucht: stabile Betten, tolle Matratzen für den erholsamen Schlaf nach dem Ritt, Couchecke mit Kamin für die gemütlichen Abende am Feuerchen, die moderne Küchenzeile mit Induktionsherd, weil wir selbst kochten und ein geräumiges Bad für genussvolles Duschen. Von der Essecke aus können wir die Pferde sehen und beobachten, einfach ideal. Der Donnerstag verging rasch mit den Vorbereitungen. Ich holte meine Freundin Monika vom Zug ab, um gleich mit ihr gemeinsam für uns 3 einzukaufen. Es stürmte noch mächtig prächtig- selbst an einen kurzen Ritt, um die Pferde einzustimmen, war nicht zu denken. Aber ab morgen soll es ja besser werden- und „Wenn Engel reiten…“ dachte ich. Ich halte mich ohnehin für einen ausgesprochenen Glücksmenschen. Ich hatte noch nie auf meinen vielen Ritten so schlechtes Wetter, dass ich hätte eine Tour völlig abbrechen müssen. Zurück am Hof versorgten wir die Pferde: Hanni, Nelli- die zwei Reitponys und „Opa“- Lado, mein erstes Pferd, einen Traber, der dieses Jahr seinen 30. Geburtstag haben wird. Beim Kochen kriegten wir, Monika und ich, uns etwas in die Wolle, weil wir nicht gleich so gut mit dem Induktionsherd zurecht kamen: das Nudelwasser kochte über, ich verbrannte mir beim Aufwischen die Finger, der Bräter mit der Hackfleischsoße dümpelte auf einem Kochkreis dahin, weil wir nicht wussten wie der ovale Kochring dazu geschaltet wird. (Am nächsten Tag, mit mehr Geduld, hatte es Monika dann heraus bekommen.)Monika ging schon zu Bett. Derweil ich auf Christian wartete, nähte ich den Reißverschluss an meiner Reitjacke fest. Nachdem Christian gegen 22:30 Uhr eingetroffen war und wir einen Paddock für Snorre, seinen Norweger, abgesteckt und ihn versorgt hatten, genehmigten wir uns zum Essen noch ein Bier. Monika kam beim Frühstück am Karfreitag auf die Idee Christian zu fragen, ob er schon mal nordöstlich von Friedersdorf in der Heide von Skaby war. Nein, war er nicht.
Karfreitag
Das war also unser erster Ritt- Tag, insbesondere von daher günstig, weil es die letzten Tage schön geregnet hatte und der Sandboden unseren Pferden daher optimales Geläuf bot. Zunächst schickte uns die Wetterfee einige Tropfen Regen: freut euch nicht zu früh, schien sie zu sagen. Taten wir aber doch. Anscheinend war unsere Freude auf das bevorstehende Abenteuer so groß, dass die Regenwolken in den 30 Minuten bis zur Autobahn und deren Überquerung verschwanden und die Sonne herauskam. Drüben in Skaby stiefelten wir mit Nelli und Snorre durch die Heide, der berühmten Lüneburger sehr ähnlich, das Heidekraut noch winterlich braun mit blassrosafarbenen Blüten. Vor uns auf dem Sandweg waren riesengroße dreizehige Fußabdrücke und die kleineren Fußabdrücke eines Raubtieres zu sehen. Gemütlich im Schritt gondelten wir durch die Heide und wunderten uns über die rätselhaften Fußspuren. Die großen Fußabdrücke müssen von einem Vogel stammen. Aber Großtrappen gibt es hier nicht und auch keine Strauße oder Emus. Für einen Wolf waren die Raubtierabdrücke zu klein, für einen Marder oder Iltis zu groß.
Es blieb jedoch fast den ganzen Tag bewölkt, was mein Wegefinden in der Heide noch spannender machte. Ich musste mich völlig auf meinen Richtungssinn verlassen, da ja die Sonne überwiegend nicht schien, was mir einen noch größeren Genuss verschaffte, Christian durch das Gewirr der Wege zu führen. Zunächst fiel die Orientierung noch leicht, da wir linkerhand die Baggerseen vom Kieswerk hatten. Doch dann gibt es unzählige kleine Pfade, kaum breiter als ein Hufschlag. Ein schmaler Weg schlängelte sich nach dem anderen durch die Swatzkyberge, die krüppligen Kiefern neben uns. Christian meinte, es würde ihn an Kanada erinnern. An einem grünen Waldarbeiterhänger mitten im Wald waren dann die schmalen Wege zu Ende. Wir ritten bei Spreenhagen an der Feldkante entlang, bevor es über eine wilde Wiese wieder in Richtung Heimat ging. Als wir zu weit nördlich gerieten, gelangten wir an den Oder- Spree- Kanal. Wir genossen den Blick aufs Wasser. Hinter dem einsamen Forsthaus ritten wir wieder in den Wald. Diesmal wählte ich eine breiteren Sandweg- pie mal Daumen, die Richtung stimmt, also immer weiter in großen Windungen, bis wir wieder auf das grüne Hängerchen stießen. Ups, einmal war ich links satt rechts abgebogen, als könnte der Kopf im Trab nicht so rasch denken. Christian sagte: „Also, wenn wir dann zum 3. Mal an dem grünen Hänger vorbeikommen, fange ich an, an dir zu zweifeln, Marion!“ Ich lachte und lachte. Lustig und listig schlug ich meinen Weg ein, der uns zur großen Wiese brachte. Von dort aus war es kinderleicht die Wege zu finden, da wir uns immer am Rande im Wald in Sichtweite der Wiese befanden, bis wir wieder in der Heide waren.
Auch hier sichteten wir wieder riesengroße dreizehige Fußabdrücke und die kleineren Raubtierfußabdrücke. Ein Geschrei von der nahen Wiese löste ein Teil das Rätsels auf: Kraniche. Was die in der Heide an Futter finden, ist mir schleierhaft. Aber die Vögel werden schon wissen, was sie tun. Durch die Heide folgten wir nun dem einzigen Weg, der tatsächlich über eine längere Strecke fast geradeaus ging, wieder der Autobahn zu, welche, sobald sie zu hören war, dann die Orientierung wieder erheblich erleichterte. Hier trabten wir wieder mehr, um dem Lärm rasch wieder zu entkommen. Auf der Wiese nach der Brücke ließen wir die Pferde noch grasen, bevor wir über die Feldwege zum Stall gelangten. Monika hatte den Tag mit Feldenkrais- Übungen und Didgeredoospielen verbracht. Abends kochten wir ein schmackhaftes Wildgulasch, von Christian mitgebracht, mit Kartoffeln und Blumenkohl. Eine Freundin, Karena, kam mit ihrer Gitarre zu Besuch. Wir sangen, lachten und erzählten. Im Kamin, den Monika regelmäßig fütterte, prasselte das Feuer.
Ostersamstag
Am Ostersamstag kam meine Reitbeteiligung Steffi und wir ritten zu dritt zu Jutta (die berühmte Jutta Schroer, die den VFD in Berlin/Brandenburg gegründet hat) nach Streganz Berg. Zunächst führten wir die Pferde durchs Dorf zum Sportplatz. Am Feld entlang ging es im flotten Trab durch die Blossiner Heide nach Dolgenbrodt. Auf der blauen Fußgängerbrücke machte Christian ein Foto von mir. Damit war Nelli gar nicht einverstanden und setzte erstmal einen ordentlichen Pferdehaufen in die Mitte. Snorre war auch der Meinung, dass er sich auf der Brücke erleichtern müsse, bevor die nächste Graspause kommt. Am Fuße der Brücke bei „Kuddels lustiger Stube“, wo wir auf anderen Reittouren schon eingekehrt waren, konnten die Pferde frisches Grün zupfen, während Christian so lieb war und zurücklief, um die Hinterlassenschaften der Pferde beiseite zu schieben. Durch den Wald ging es zur nächsten Brücke in Prieros, die uns über die Dahme führte.
Der nächste Sandweg lud uns zum Galopp ein, begrenzt am Wegesrand von Heidekraut durch den hier allgegenwärtigen Kiefernwald. Am weißen See überquerten wir die Landstraße. Jenseits davon war Holz geschlagen worden und so begleitete uns der würzige Duft des Kiefernholzes durch den nächsten Wald bis wir bei Jutta angelangt waren. Kaum hatte ich Jutta begrüßt, ihre Haflingerstute Püppa lag in der ersten wärmenden Frühlingssonne in der Wiese, die Ponystute Lucky stand daneben, begann sich der Himmel zu verdunkeln. Wir konnten unsere Pause kaum genießen, Jutta hatte Bouletten und Bier spendiert, da fing es an zu hageln.
Steffi musste sich einen Schal und einen Regencape bei Jutta leihen, zu leichtsinnig war sie losgezogen. Der Himmel sah nach Weltuntergang aus. Wir bibberten und zitterten im eiskalten Wind. Was war ich froh, dass ich meine Winterjacke an hatte. Die Finger froren uns erbärmlich. Nur rasch in den schützenden Wald kommen! Doch schon im nächsten Dorf, in Klein- Eichholz, schien bereits wieder die Sonne. Ich wählte die kürzeste Strecke, den Feldweg nach Görsdorf. Zu früh ist’s noch im Jahr, dachte ich mir. Zu gerne hätte ich noch einen Schlenker am Kutzigsee entlang eingebaut. Aber die Pferde fangen erst an mit dem Training- nicht übertreiben. In den Wolziger See, wo man zur entsprechenden Jahreszeit etwa 100 Meter weit in den See hineinreiten kann, stets auf „Kniehöhe“, bevor es tiefer wird, ritten wir nur ein kleines Stück hinein, um den Pferden die Möglichkeit zum Trinken zu geben.
Am Rande der Friedersdorfer Heide entlang reitend, wölbten sich die Wolken zu einem wunderbaren Schauspiel auf, wie sie nur ein kräftiger, böiger Wind bewegen kann. Mitten im Trab rief Steffi wir sollten mal anhalten. Ich bekam einen Schreck. Was war passiert? Ich drehte mich um. Steffi saß auf dem Pferd. Ich war erleichtert. Steffi kämpfte jedoch mit dem Zusammenrollen des Regenmantels, da Hanni der Meinung war, jetzt sei es genug mit dem blöden Teil, flatternd im Wind um ihre Ponyhüften. Jedenfalls war sie halb hüpfend, halb rennend im letzten Trab fast die Gruppe überholt. Das ging natürlich nicht. Als die Rolle verstaut war, gab Hanni wieder das bravste Pony der Welt. Zum Glück war es nur noch ein Viertelstündchen bis zum Hof. Monika war gar nicht da bei unserer Ankunft. Ich wunderte mich ein wenig. Steffi verabschiedete sich bald, da sie das Gefühl hatte, krank zu werden.
Als wir die Pferde versorgt hatten, trafen Monika und Karena von einer Fahrradtour ein. Sie waren von Friedersdorf aus über Bindow nach Gussow gefahren. In Friedrichsbauhof hatten sie die blaue Fußgängerbrücke überquert und unsere Pferdehaufen gefunden, bevor sie über Dolgenbrodt und Blossin nach Friedersdorf zurück kehrten. Ich staunte- für mich ist das schon ein tüchtiges Stück Radfahren von einem halben Tag, was die beiden wohl locker in 2 Stunden geschafft hatten. Über das Radwegenetz kann man von Friedersdorf aus bis in den Spreewald radeln. Zum Abendessen machten wir Pellkartoffeln mit Quark. Das ging schnell und ohne großen Aufwand. Wir 3 Frauen gingen dann sogar noch zum Osterfeuer.
Dort standen wir herum, wippten ein wenig im Takt der Musik und tranken Bier, bis wir Karena verabschiedeten, die gegen 22 Uhr zum Zug musste. Monika, Christian und ich machten es uns noch am Kamin gemütlich, als vom Flur ein Geräusch zu uns drang. Ich bekam einen tüchtigen Schreck, als eine Stimme sagte: „ich bin wieder da!“ Es war Karena, die überraschender Weise vom Bahnhof zurückgekehrt war, weil genau jener Zug, den sie hatte erreichen wollen, am Samstag, sonst regelmäßig jede Stunde, laut Fahrplan nicht fuhr. Daher saßen wir doch wieder bis spät in die Nacht beisammen, eben so lange wie macht braucht, um in einer Stunde, die nächste Bahn zu erreichen.
Ostersonntag
Der Ostersonntag begrüßte uns mit herrlichstem Sonnenschein. Steffi wollte zuerst mitkommen, bat um eine Runde von nur 4 bis 5 Stunden, sagte dann jedoch ab, als sie bereits auf dem Weg war und sie merkte es ging gesundheitlich einfach nicht. Christan und ich, ich diesmal mit Hanni, schlugen den Weg, die Landstraße umgehend nach Bindow ein, wo wir die Brücke überquerten. Am Moor entlang ritten wir in Richtung Dahme, dann ein Stück den Uferweg am Fluss entlang. Durch die Gussower Heide ging es im Trab zu den Tonteichen bei Körbiskrug. Fast allein am Wasser machten wir eine Pause, stellte sich heraus, dass eine Silke, die mit ihrer Familie am Strand war, uns freundlich ansprach, wo wir herkämen, Jutta aus Streganz kennt und lange dort geritten war. Klein ist die Welt. Hanni- Mäuschen war auf dieser Runde schon wesentlich langsamer mit mir, als tags zuvor mit Steffi. Am Campingplatz vorbei ritten wir zum nächsten Teich und weiter an einem Schilfgürtel entlang bis wir, kurz bevor wir die B 246 erreichten, wieder gen Heimat ritten. Durch die Stürme vor Ostern verursacht, lag ein Baum im Weg. Links und rechts ging es steil eine Böschung hinab. Wir mussten also hinübersteigen, auch, wenn der Baumstamm ziemlich dick war.
Da weder Hanni, noch Snorre Mut fassten das Hindernis anzugehen, stieg ich ab und ging zu Fuß. Hanni entschied sich nach mir zu einem Sprung und setzte mit einem riesigen Satz über das Hindernis. Kaum 3 Meter weiter befand sie, das habe sie gut getan und begann einfach zu fressen. Snorre wollte immer noch nicht hinüber, denn auf der anderen Seite von Stamm war das Erdreich etwas angehoben und erschien ihm wohl deshalb nicht sicher genug. Als Snorre sich dann entschlossen hatte, es zu wagen, lachte ich mich halb kaputt. Er stieg zuerst mit dem einen Vorderbein hinüber, dann mit dem anderen, blieb jedoch in der Streckung, als wolle er sich hinsetzen. Das sah einfach zu lustig aus. Entschuldige, Snorre! Wieder aufgesessen, sauste Hanni im schnittigen Trab los: juhu- es geht nach Hause.
Der Waldweg endete an einer Wildwiese und so mussten wir doch in einem Bogen durch die Siedlung reiten, um sie zu umrunden. In den Waldhäuschen und Lauben war tüchtig was los. Die Erholungsuchenden genossen die ersten schönen Tage, so wie wir. Wieder auf dem Hauptfeldweg Richtung Gussow angelangt, machten wir eine Graspause und kamen mit zwei Wanderern ins Gespräch, die früher geritten waren. Über einen weiteren Feldweg und die Trasse mit zwei schönen Galoppaden kamen wir wieder zur Bindower Brücke. Von dort aus nahm ich einen anderen Rückweg, als hinzu. Beim Bauern mit den Kaltblütern überquerten wir die Bahngleise und schnurgeradeaus ging es den Feldweg heimwärts. Hanni legte nochmals tüchtig Tempo vor. Nun war Pferd tatsächlich bald am Stall. Das Futter rief. Am ersten Haus begrüßten uns die Pferde von Annette und Stefan, beim Ziegenhof wieherte die nächste Pferdegruppe. Dann fielen die Pferde hinter der Autoschlosserei auch noch ein, bis wir in Reichweite von Lado und Nelli waren, die ihrerseits die zwei Heimkehrenden ebenfalls lautstark begrüßten. Was für ein Empfang! Zum Abendessen bereiteten wir Reis mit Lauch- und Möhrengemüse zu. Der letzte schöne Abend war schon wieder heran.
Ostermontag
Am Ostermontag ging es noch einmal in den „Kanadawald“ über die Autobahn nach Skaby. Diesmal ritten wir ein wenig anders. Zuerst gelangten wir durch die Heide und einen Birkenwald zur anderen Seite der großen Wiese, wo ich Christian das „geheimnisumwitterte“ Objekt zeigte, ein halbzerfallenes Haus, umgeben von einem mächtigen Betonzaun, der den ehemaligen Grenzanlagen der DDR erschreckend ähnlich sieht. Jahrelang war dies ein sagenumwobener Ort für uns, um den wir beim Vorbeireiten phantastische Geschichten spannen und uns Filmkulissen vorstellten, was wäre wenn, bis Bernd, eine Reitbeteiligung von mir dem Zauber ein Ende bereitete und einfach im Internet nachforschte und herausfand, dass dies ein Haus der Staasi war und 2008 hier ein Openair- Konzert stattgefunden hatte. Über einen von Rubinien gesäumten Waldweg gelangten wir in die Swatzkyberge, wo ich mich an die breiteren Sandwege hielt, aus der Sorge heraus, wir könnten uns doch verreiten, was an diesem Tage nicht so schicklich war, denn Christian musste noch die 3-stündige Heimreise antreten. Da wollte ich nichts riskieren und rechtzeitig zurück sein. Wir langten bald darauf bei den Kiesseen an, die wir nun, da es nach Hause ging, zu unserer Rechten hatten. Im Altwald, nachdem wir die Heide hinter uns hatten, trafen wir nochmals auf ein „geheimnisumwittertes“ Objekt, ein abgesperrtes rechteckiges Grundstück mit schachbrettartigen, erhöhten Wiesenformationen, die zusätzlich mit einer Plane von ca. 50 cm Höhe eingezäunt waren. Christian war dieser Ort unheimlich. Ich vermutete, dass es sich um ehemalige Rieselfelder handelt, die nun vielleicht eine seltene Frosch- oder Lurchart beheimaten, weshalb zum Schutz eventuell die Plastikfolie aufgestellt wurde. Es gibt also bis zum nächsten Ritt mit Trapper Marion noch ein Rätsel zu lösen.